Die Krankenhäuser drängen in den Bereich der ambulanten Versorgung, nicht nur in Gestalt von eigenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Auch die Klinikapotheken sollen weiter geöffnet werden – diese Forderung kommt vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (Adka). Warum gehen die angestellten Pharmazeuten in Konkurrenz zu ihren niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen?
Die Adka fordert eine Ausweitung der Tätigkeit von Krankenhausapotheken in den ambulanten Bereich. Dabei geht es nicht mehr nur um die Herstellung von Sterilrezepturen als Lohnhersteller. Vielmehr geht es um den Rundumschlag: Die hauseigenen Apotheken sollen künftig den kompletten Bedarf aller Institutionen ihres Trägers decken können. Hintergrund dürften auch wirtschaftliche Erwägungen sein: Nicht selten ist die Apotheke ein wichtiger Ertragsbringer für den Klinikbetreiber.
Eigentlich müsste sich also die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) für das Thema stark machen, doch die Forderungen kommen von den angestellten Klinikapothekerinnen und -apothekern selbst. Dabei scheint die Tragweite noch nicht einmal innerhalb der Adka allen Mitgliedern bewusst zu sein. Wer treibt das Thema also so offensiv voran?
Den jüngsten Vorstoß gab es in Hessen. Bei der Kammerversammlung Ende Juni sprachen sich die beiden Vorstandsmitglieder Dr. Nils Keiner und Dr. Robin Brünn für eine Öffnung der Klinikapotheken aus: In einem Antrag für den Deutschen Apothekertag (DAT) forderten sie nicht nur Lockerungen im Zusammenhang mit Turnus und Personal bei den Stationsbegehungen. Ihr Antrag sah auch eine „erleichterte Versorgung von Patienten der Ambulanzen des Krankenhauses“ vor.
Durch geltende Gesetze werde aktuell verhindert, dass alle Patienten des Krankenhauses in allen Sektoren durch die Krankenhausapotheke versorgt würden, hieß es zur Begründung. Dies führe für Patienten zu „nicht nachvollziehbaren Situationen, Umwegen sowie unnötigen und pharmazeutisches Personal bindenden Nachfragen“.
Der Passus wurde von anderen Delegierten rechtzeitig bemerkt und aus dem Entwurf gestrichen. Vom Tisch ist das Thema damit aber noch nicht. Bereits Anfang Juni hatte der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) als Zusammenschluss der klinik- und heimbeliefernden Apotheken vor einem weiteren Vorstoß der Kliniken in die ambulante Versorgung gewarnt.
Dabei gehe es nicht nur um die Ausdehnung auf MVZ in Trägerschaft des Krankenhauses, sondern auch um Heime, Hospize, SAPV-Teams und ambulante Pflegedienste des Krankenhausträgers und nicht nur um onkologische Zubereitungen, sondern alle Sterilzubereitungen, Rezepturen, Entlassmedikationen und Fertigarzneimittel.
Laut BVVA berührt der Vorstoß nicht nur wirtschaftliche Aspekte; in letzter Konsequenz bedeute er eine Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbots durch die Hintertür. Außerdem drohten wettbewerbsrechtliche Probleme, wenn mit Steuergeldern geförderte Kliniken mit ihren Klinikapotheken in Konkurrenz zu öffentlichen Apotheken träten.
Nach § 14 Absatz 7 Apothekengesetz (ApoG) dürfen Klinikapotheken Arzneimittel nur an die einzelnen Stationen und anderen Teileinheiten des Krankenhauses zur Versorgung von Patienten abgeben, die vollstationär, teilstationär, vor- oder nachstationär behandelt, ambulant operiert oder im Rahmen sonstiger stationsersetzender Eingriffe oder im Rahmen der Übergangspflege im Krankenhaus versorgt werden. Außerdem ist die Belieferung von Ambulanzen und MVZ erlaubt, sofern die Medikamente dort zur unmittelbaren Anwendung bei Patienten eingesetzt werden. Auch die Entlassmedikation ist abgedeckt.
Laut § 11 Absatz 3 ApoG dürfen Klinikapotheken außerdem für öffentliche Apotheken anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen herstellen. Dieser Bereich hängst längst eine eigene Dynamik entwickelt; oft werden Apotheken angesprochen, ob sie nicht auf dem Papier die Belieferung der onkologischen MVZ übernehmen wollen. Immerhin: Eine Ausweitung auf andere Sterilrezepturen ist hier bislang gescheitert, die Gerichte legen die Vorschrift eng aus und erlauben maximal die Lohnherstellung monoklonaler Antikörper.
Kein Wunder also, dass die Kliniken und ihre angestellten Apothekerinnen und Apotheker sich nun den anderen Paragrafen vorgenommen haben. In ihrer Stellungnahme zum geplanten Apothekenreformgesetz (ApoRG) hatte die Adka sich im vergangenen Jahr für eine Novellierung von § 14 Absatz 7 ApoG ausgesprochen: Auch ambulant behandelte Patienten sowie alle ambulanten Einrichtungen Krankenhauses sollten beliefert werden dürfen.
„Die Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen und Krankenhausapotheker:innen in allen Einrichtungen eines Krankenhauses sowie die unmittelbare Arzneimittelversorgung sind wesentliche Bestandteile einer modernen, patientenzentrierten Gesundheitsversorgung im Krankenhaus, die den Bedürfnissen der Patient:innen gerecht wird“, hieß es zur Begründung.
An vielen Klinikstandorten existierten bereits ambulante Einrichtungen, deren Versorgung durch Krankenhausapotheken jedoch nicht erlaubt sei. Da eine Verlagerung bedeutender Teile der Versorgung von stationären Aufenthalten in die ambulante Versorgung politisch gewollt sei, müsse die pharmazeutische Leistung der ärztlichen Leistung folgen, um die Qualität der Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
„Das Nutzen der bestehenden Krankenhausapothekenstruktur im Sinne der Versorgung von Einrichtungen des Krankenhaus aus einer Hand ist effizient, minimiert das Fehlerrisiko in der sektorübergreifenden Behandlung und gewährleistet eine sichere Patientenversorgung. Die zunehmende Ambulantisierung und Entwicklungen sektorübergreifender Versorgungsstrukturen im Krankenhauswesen stellen eine weitreichende Veränderung in der Art und Weise dar, wie Patient:innenbehandlung durch Krankenhäuser erbracht wird.“