Vorschläge für Spargesetz

IKKen fordern Tabak- und Plattformprämie

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Berlin -

Auch den Innungskrankenkassen (IKKen) geht das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nicht weit genug. Sie fordern eine dauerhafte und dynamisierte Geldspritze aus dem Steuertopf, um die Beitragszahler zu entlasten.

Lauterbachs Spargesetz sei nicht nachhaltig und in seinen Berechnungen außerdem auf Kante genäht, so der IKK-Verband. Um eine faire Lastenverteilung sicherzustellen und damit eine außerordentliche Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu verhindern, sehen die IKKen die Verbreiterung der Einnahmenbasis der GKV als entscheidenden Faktor an.

Dynamisierung des Bundeszuschusses

Viele der Ausgaben, die die Krankenkassen übernehmen, seien eigentlich originär staatliche Aufgaben und deshalb auch vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren. Schon damit könne eine kurzfristige Mehrbelastung der Beitragszahlenden vermieden werden. Das Iges-Institut beziffert die Kosten auf knapp 50 Milliarden Euro. „Eine verlässliche Gesundheitsversorgung ist zu wichtig, um nicht dauerhaft vom guten Willen des Finanzministers abzuhängen. Deshalb brauchen wir einen regelbasierten und dynamisierten Steuerzuschuss“, erklärt Peter Kaetsch, Vorstandsvorsitzender der BIG direkt gesund.

Die Innungskrankenkassen schlagen vor, dass ein Dynamisierungsfaktor festgelegt wird, der sich sowohl an der Bruttolohnentwicklung als auch an der Inflationsrate bemisst. Auch eine Erweiterung des Leistungskatalogs der GKV um weitere versicherungsfremde Leistungen müsse eine Anpassung nach sich ziehen.

Reduzierte MwSt auf Arzneimittel

Darüber hinaus fordern die IKKen eine Absenkung der Umsatzsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. „So könnte die GKV bundesweit sechs Milliarden Euro einsparen“, so Professor Dr. Jörg Loth, Vorstandsvorsitzender der IKK Südwest. „Die Mehrwertsteuersenkung wäre ein zentraler Baustein einer strukturellen Finanzierungsreform und ist fast in jedem europäischen Land Standard.“

Zusammen ließen sich so Einsparungen in Höhe von 33,27 Milliarden Euro jährlich erzielen.

Tabak-, Alkohol- und Zuckersteuer für Kassen

„Die Staatseinnahmen aus der Tabak-, Alkohol-, Alkopop-, und Schaumweinsteuer lagen in den vergangenen Jahren konstant bei rund 17 Milliarden Euro“, erläuterte Loth. Doch während die Kassen die Kosten übernehmen müssten, profitierten sie nicht von den Einnahmen. Eine beispielhaft 50-prozentige Beteiligung der GKV an den genannten Steuerarten könne zu Mehreinnahmen von über acht Milliarden Euro jährlich führen. Dies allein würde das für 2023 zunächst veranschlagte Defizit um fast die Hälfte ausgleichen.

„Es ist legitim, über die Beteiligung der GKV an den erhobenen und gesundheitspolitisch motivierten Lenkungssteuern zu diskutieren, die das Ziel verfolgen, Gesundheitsrisiken und deren Kosten zumindest in Teilen zu kompensieren und noch dazu geeignet sind, das Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen.“ Aus diesem Grunde bietet sich nach Ansicht der IKKen auch der Bereich der Umweltsteuern zur Beteiligung an. Insgesamt könne eine Beteiligung an Genusssteuern und an umweltbezogenen Steuern, wenn man bei letzteren von einer 10-prozentigen Beteiligung ausgeht, die GKV insgesamt um 14,66 Milliarden Euro entlasten.

Abkehr von reinen Lohnkosten

Die IKKen sehen die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell als einen weiteren wichtigen Baustein zur Sicherung der Finanzstabilität. Die Summe der beitragspflichtigen Einnahmen nehme aufgrund des Wandels der Arbeits- und Erwerbswelt gegenüber der Entwicklung des Bruttosozialprodukts ab. Die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell ermögliche die Erschließung
weiterer Finanzierungsquellen und würde neben den Arbeitnehmern insbesondere die lohnintensiven Klein- und Mittelbetriebe als Beitragszahler spürbar entlasten.

Beteiligung der Digital- und Plattformwirtschaft

Aufgrund zunehmender Automatisierung und Digitalisierung gingen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren, gleichzeitig entstehen neue Formen der Arbeit. In der Folge sinken laut IKK-Verband die beitragspflichtigen Einnahmen, gleichzeitig werde das Solidarsystem aber zur Absicherung herangezogen und belastet.

International aufgestellte Konzerne der digitalen Welt entzögen sich so ihrer Verantwortung zur Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. „Wir begrüßen sehr, dass die Europäische Kommission schon 2018 hierzu zwei Gesetzgebungsvorschläge gemacht hat“, erklärt Vorstandsvorsitzender Kaetsch. „In diesem Zusammenhang ist es folgerichtig, auch darüber nachzudenken, welchen Beitrag die Unternehmen für die Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben übernehmen können.“

Rund 2 Prozent der Erwachsenen in 14 EU-Mitgliedstaaten erzielten ihre Haupteinnahmen über Plattformen, bis zu 8 Prozent Gelegenheitseinkünfte. Da Plattformarbeit nicht im vollen Umfang besteuert werde und Plattformarbeiter nicht adäquat durch die Systeme der sozialen Sicherheit geschützt seien, führe dies zu nachteiligen Auswirkungen sowohl für die betroffenen Personen als auch für die öffentlichen Finanzen sowie für die Sozialversicherungsträger.

Die IKKen schlagen daher vor, Plattformarbeit sozialversicherungspflichtig auszugestalten. Als Vorbild wird die Künstlersozialkasse genannt. Alternativ wäre eine am Umsatz orientierte Beteiligung der Plattformwirtschaft an den Kosten der Sozialversicherung einzuführen.

Kritik an Lauterbachs Plänen

Der Entwurf des GKV-FinStG sei ein „Offenbarungseid einer kurzsichtigen Gesundheitspolitik, die einschneidende Reformen aufschiebt und, um kurzfristig Finanzierungslücken zu schließen, wieder einmal die Lasten einseitig und ungerechtfertigt der GKV
und damit den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern aufbürdet“, so Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK-Verbands. Die Planungen seien „Taschenspielertricks“ und keine langfristige Sicherung der Finanzen. „Diese Politik verstehen weder die 73 Millionen GKV-Versicherten noch die knapp sechs Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen.“ Der Staat müsse seiner Finanzverantwortung nachkommen.

Sein Vorstandskollege Hans Peter Wollseifer wies darauf hin, dass mit der Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der GKV um mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte nunmehr die 40-Prozent-Marke bei den Sozialversicherungsbeiträgen überschritten werde. „Im Klartext heißt das: Damit wird die in der Vergangenheit zurecht als maßgeblich angesehene und von der letzten Großen Koalition noch festgeschriebene Sozialgarantie aufgehoben – aus unserer Sicht ein katastrophaler Schritt.“

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