Hilfsmittel

Kein Erfolg für Inko-Petition

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Berlin -

Die Onlinepetition des Selbsthilfeverbands Inkontinenz gegen die Mangelversorgung bei Inkontinenzprodukten droht schlussendlich doch zu scheitern: Mitte März hatte der Verband eine Unterschriftenaktion auf der Petitionsplattform Openpetition gestartet. Nach den ersten drei Monaten waren erst etwas mehr als 13.000 Unterzeichner zusammengekommen, daher wurde die Petition verlängert. Aktuell haben knapp 15.900 Personen unterschrieben. Die Aktion endet heute.

Immerhin: Auf die Agenda des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hat es der Selbsthilfeverband geschafft. Anlässlich des aktuellen Jahresberichts der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) äußerte sich Laumann kritisch: „Gerade die offenbar vorhandenen Probleme bei der Versorgung mit Hilfsmitteln, zum Beispiel was die Qualität der Inkontinenzhilfsmittel angeht, machen mir derzeit Sorge.“ Hier müsse schnellstmöglich etwas geschehen.

In ihrem Jahresbericht schildert die UPD den Fall einer Inkontinenz-Patientin, die unter der unzureichenden Hilfsmittelversorgung leidet: Die Frau benötigt regelmäßig Windelhosen. Da sie die Kosten nicht selbst tragen kann, hat sie ihren Arzt um eine Verordnung gebeten – und diese erhalten. Allerdings teilte ihre Kasse ihr mit, dass die Kosten für die bislang verwendeen Windeln nicht übernommen werden.

Stattdessen wurde die Patientin an einen Vertragslieferanten verwiesen, mit dem eine monatliche Pauschale in Höhe von 14,99 Euro ausgehandelt worden war. Die Windeln, die die Frau nun bekam, können jedoch nur eine geringe Menge an Flüssigkeit aufnehmen und mussten häufig gewechselt werden. Die Haut hat sich nach kurzer Zeit entzündet, inzwischen leidet die Patientin zudem an einer Pilzinfektion.

Als sich die Patientin an ihre Krankenkasse wandte, wurde sie an den Hilfsmittellieferanten verwiesen. Dieser sei vertraglich verpflichtet, eine Versorgung in ausreichender QUalität sicherzustellen. Auf die Anfrage der Patientin reagierte der Lieferant aber nicht. Daraufhin hatte sich die Frau an die UPD gewandt.

Insgesamt 1737 Beratungen zu Hilfsmitteln hat die UPD im vergangenen Jahr durchgeführt, besonders oft zu Inkontinenzmaterialien, Hörgeräten und Rollstühlen. Beschwerden gibt es demnach meistens dann, wenn sich die Krankenkassen nicht für einen Verhandlungsvertrag mit Leistungserbringern entscheiden, sondern die Versorgung ausschreiben.

„Die Qualität der Hilfsmittel spielt in diesen Ausschreibungen häufig eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Im Ergebnis erhält der billigste Anbieter den Zuschlag und die Qualität der Hilfsmittel, aber auch die Servicequalität der Anbieter bleiben auf der Strecke“, berichten die UPD-Berater. Problematisch sei zudem, dass die Hilfsmittellieferanten meist nicht vor Ort seien.

Die Krankenkassen sparen zunehmend bei der Inkontinenzversorgung: Bei Ausschreibungen erhält der günstigste Anbieter den Zuschlag für die Versorgung. Die Praxis stößt bei Betroffenen auf Protest. Der Selbsthilfeverband Inkontinenz hatte von Laumann eine bedarfsgerechte Versorgung ohne Aufzahlung gefordert.

Viele Menschen mit Inkontinenz würden nicht mehr in ausreichender Menge und Qualität mit den ihnen per Gesetz zustehenden Produkten versorgt, kritisierte der Verband in der Petition. Krankenkassen könnten durch Ausschreibungen über 20 Prozent Kosten einsparen. Aktuell würden Verträge zu einer Monatspauschale von teilweise 12,50 Euro geschlossen.

Die AOK Bayern hatte zuletzt ihre monatliche Pauschale gesenkt, und auch in Baden-Württemberg liegt diese auf „Dumpingpreis“-Niveau, kritisierte unlängst der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV). Noch deutlich weniger zahlt laut Spiegel die DAK Gesundheit.Auch die „Bild“ hatte der Kasse vorgeworfen, mit Verträgen über aufsaugende Inkontinenzprodukte an Senioren zu sparen.

„Auf diesem Preisniveau ist eine bedarfsgerechte Versorgung nicht zu gewährleisten“, erklären die Petenten. Betroffenen bleibe nichts anderes übrig als aus eigener Tasche aufzuzahlen. „Inkontinenz wird dadurch nicht nur zu einem gesundheitlichen, sondern auch zu einem sozialen Problem.“

Die Unterstützer fordern Verträge von den Kassen, die den Patienten das Wahlrecht zwischen verschiedenen Anbietern und Produkten zugeständen. Der Schweregrad der Inkontinenz müsse bei den Ausschreibungen unbedingt berücksichtigt werden, verlangen sie.

Zudem würde eine Unterteilung in Produktgruppen beziehungsweise -arten eine Versorgung der Patienten nach ihren individuellen Bedürfnissen und eine differenzierte Preisgestaltung ermöglichen. „So können qualitativ angemessene Produkte zu sachgemäßen Preisen angeboten werden“, hieß es in der Petition. Gefordert wurde zudem, die Beratung der Patienten von wirtschaftlichen Interessen zu trennen. Die Festlegung des Bedarfs müsse durch den verordnenden Arzt erfolgen.

Bei den derzeitigen Niedrigpreisvorgaben werde Inkontinenz zur individuellen Qual, warnten die Unterzeichner. Als Folge eines unzureichenden Inkontinenzschutzes würden Patienten sich unnötig einnässen, dadurch steige das Risiko von Infektionskrankheiten, Druckstellen und Druckgeschwüren. Die sozialen Auswirkungen seien ebenso gravierend: Menschen mit Inkontinenz genierten sich und könnten am sozialen Leben nicht mehr teilnehmen – ihre Lebensqualität werde massiv beeinträchtigt.

Die Petition war am 12. März gestartet und lief zunächst bis zum 11. Juni. Aufgrund der breiten Zustimmung für das Anliegen sowie des gestiegenen öffentlichen Interesses habe man die Petition um weitere drei Monate verlängern können, schreiben die Initiatoren. Derzeit haben knapp 15.900 der erforderlichen 120.000 Unterstützer signiert. Ein weiteres Mal kann die Petition nicht verlängert werden.

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