Die Bundesregierung will die Unternehmen entlasten – und dazu auch massiv Bürokratie abbauen. Noch im Oktober soll es dazu einen Kabinettsbeschluss geben, kündigte Professor Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS), bei einer Diskussionsveranstaltung des Pharmaverbands vfa an.
Im Koalitionsvertrag wurde an verschiedenen Stellen ein Bürokratieabbau versprochen. Ziel ist es, die Wirtschaft zu entlasten und Kosten zu sparen. Bis zu 16 Milliarden Euro sollen an Effizienzreserven so zustande kommen. Jedes Bundesministerium soll Vorschläge einreichen, im Oktober ist der Kabinettsbeschluss vorgesehen. Das BMDS plant laut Hölscher außerdem ein Bürokratiemeldeportal, auf dem Vorschläge zum Bürokratieabbau eingereicht werden können.
Hölscher kam bei der Tagung auch auf die EU zu sprechen: Deutschland habe zu viel „gefressen“ aus Brüssel und meist noch mehr an Auflagen obendrauf gepackt. „Wenn wir als größter Mitgliedstaat nicht endlich aufstehen, dann läuft es weiter so fatal wie im Moment.“ Die Bürokraten seien leider planetenweit entfernt vom Alltag vor Ort.
Tino Sorge, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), will es den Unternehmen ebenfalls leichter machen. Die Gesundheitswirtschaft sei eine Schlüsselbranche, das sei im Koalitionsvertrag nicht nur Belletristik. Es gehe darum, die Chance der Digitalisierung zu nutzen, auch wenn nicht auf Anhieb alles perfekt laufe. „Wir müssen schneller werden, damit es dann auch perfekt funktioniert. Sonst wird es nur als Belastung empfunden“, so Sorge mit Verweis auf Arztpraxen und Apotheken, in denen die elektronische Patientenakte (ePA) noch heute teilweise händisch nachgepflegt werde.
Im Gesundheitswesen brauche es außerdem strukturelle Reformen. Dabei wolle man sich nicht eine Leistungserbringergruppe herausgreifen, jeder müsse seinen Beitrag leisten. „Wir können niemanden ausnehmen.“ Ziel sei es aber Anreize so zu schaffen, dass sich das System aus sich heraus weiterentwickle. Als Beispiele nannte er die Preisbildung nach AMNOG, aber auch die Engpässe sowie die Vorbereitung auf Pandemien und die Standortsicherheit.
Wichtig sei dabei stets der Austausch mit den Betroffenen. „Der Pharmadialog steht ganz oben, das sieht man auch daran, wie viele Ministerien eingebunden sind.“ Ziel sei es, ein ganzheitliches Paket vorzulegen.
Enthalten ist auch der Bürokratieabbau: „Unser Gesundheitssystem lebt von hochqualifizierten Fachkräften, die täglich Verantwortung für Menschen tragen. Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen massiv, etablieren eine Vertrauenskultur und stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen, statt sie mit Bürokratie aus Gesetzgebung und Selbstverwaltung zu lähmen.“
Alle Gesetze in diesem Bereich werde man einem Praxis-Check unterziehen. „Wir überprüfen Datenschutzvorschriften und alle Berichts- und Dokumentationspflichten insbesondere im SGB XI auf ihre zwingende Notwendigkeit. Berichts- und Dokumentationspflichten, die aufgrund der Coronapandemie eingeführt wurden, schaffen wir ab, ohne die Vorsorge für zukünftige Pandemien zu gefährden. Wir wollen eine KI-unterstützte Behandlungs- und Pflegedokumentation ermöglichen und streben ein konsequent vereinfachtes und digitales Berichtswesen an.“
Für die Praxen soll eine Bagatellgrenze von 300 Euro bei der Regressprüfung eingeführt werden. „Entsprechende Regelungen werden wir auch für andere Leistungserbringerinnen und -erbringer treffen. Die Verschreibung und Abrechnung von Heil- und Hilfsmitteln gegenüber den Krankenkassen vereinfachen wir wesentlich. Wir senken die Prüfquote bei Krankenhäusern erheblich. Das Prüfergebnis der Stichproben wird sodann auf 100 Prozent hochgerechnet. Ist eine Prüfung regelhaft nicht auffällig, sind die Prüffrequenzen anzupassen. Die Aufgaben der Kontrollinstanzen in der Pflege (Medizinischer Dienst und Heimaufsicht) verschränken wir und bauen Doppelstrukturen ab.“
In der vergangenen Woche hatte Matthias Heidmeier, Staatssekretär im NRW-Gesundheitsministerium, bereits bei einer Runde des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) über das Thema Bürokratieabbau gesprochen. Dies sei ein extrem mühsames Geschäft. In NRW habe man 600 Vorschriften identifiziert, die auf dem Prüfstand stünden. „Wir denken, wir können 220 Vorschriften abschaffen oder entscheidend verändern, aber das umzusetzen, ist nicht sexy.“
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