Mit der Notfallreform kommt die sogenannte Zweite Offizin wieder auf die Agenda: Angesiedelt an Integrierten Notfallzentren (INZ), die die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) an Kliniken aufbauen müssen, sollen Miniapotheken die Versorgung der Patientinnen und Patienten übernehmen – jedenfalls bis 21 Uhr. Laut Bundesapothekerkammer (BAK) schwächt das die Patientenversorgung zu Notdienstzeiten und an Wochenenden.
„Wir versorgen pro Notdienst mit rund 1000 Apotheken insgesamt etwa 20.000 Menschen. Unser Notdienst darf durch die Schaffung neuer Parallelstrukturen nicht geschwächt werden“, sagt BAK-Präsident Dr. Armin Hoffmann. Zwar begrüße man, dass die Verzahnung des ambulanten und des stationären Notdienstes verbessert werden soll, insbesondere um Fehl- oder Doppelinanspruchnahmen zu vermeiden. „Der vorgelegte Referentenentwurf ist allerdings nur bedingt geeignet, den Besonderheiten der Arzneimittelversorgung in Notfällen angemessen Rechnung zu tragen. Insbesondere berücksichtigt der Entwurf das funktionierende System der Dienstbereitschaft durch öffentliche Apotheken nicht.“
So sehe der Referentenentwurf vor, Parallelstrukturen zu schaffen und diese über den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) der Apotheken zu finanzieren. „Das lehnen wir ab, denn es vermindert die Mittel für den flächendeckenden Notdienst der Apotheken. Zudem würden Parallelstrukturen in der Nähe von Notfallzentren dafür sorgen, dass weniger Patientinnen und Patienten in die anderen Notdienstapotheken kämen. Das schwächt das funktionierende Nacht- und Notdienstsystem und zerstört bestehende Versorgungsstrukturen.“
„Es besteht bereits aktuell ein flächendeckendes, durch die Apothekerkammern nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung eingeteiltes und funktionierendes System der Dienstbereitschaft der öffentlichen Apotheken. Dieses System sollte unter Berücksichtigung der regionalen Erfordernisse genutzt werden.“ Für die Koordinierung der Arzneimittelversorgung im Zusammenhang mit INZ sollten die Apothekerkammern beziehungsweise die für die Dienstbereitschaft zuständigen Behörden eingebunden werden. „Damit kann die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln nach dem Aufsuchen einer Notdienstpraxis sachgerecht und systemkonform organisiert werden.“
Sollten die Pläne aber umgesetzt werden, sollte die „zweiten Offizin“ explizit nicht als eine eigenständige neue Form der „Apotheke“, sondern um einen Betriebsraum einer öffentlichen Apotheke definiert werden, der von der Raumeinheit ausgenommen ist. „Dies sollte eindeutig klargestellt werden, um zu verhindern, dass einer Interpretation Vorschub geleistet wird, die das apothekenrechtliche Mehrbetriebsverbot in Frage stellen könnte.“
Auch was die Dienstzeiten angeht, müsse nachgebessert werden. Der Entwurf ignoriere nämlich die in der Apothekenreform vorgesehenen Änderungen zur Dienstbereitschaft und sehe zum Teil unterschiedliche Regelungen für ein- und dieselbe Vorschrift vor. „Diese Unstimmigkeiten sind zu beheben.“ Konkret sollen die Kammern in die Organisation eingebunden werden.
Im Jahr 2024 leisteten die Apotheken vor Ort insgesamt etwa 380.000 Notdienste. In der bestehenden Notdienstversorgung sind alle Apotheken zur Dienstbereitschaft verpflichtet. Die zuständige Apothekerkammer teilt ein, welche Apotheke nachts oder an Sonn- und Feiertagen innerhalb eines definierten Gebietes den Notdienst übernimmt. Für die Umsetzung des Notdiensts verantwortlich ist der jeweilige Apothekenleiter. Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten kommt laut Abda ohne vorherigen Arztkontakt in die Notdienstapotheke.
Laut Entwurf soll „die Versorgung von Patientinnen und Patienten von Notdienstpraxen mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten durch die Einführung von Versorgungsverträgen mit öffentlichen Apotheken verbessert werden“, heißt es im Entwurf. Dazu sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) nicht nur mit den Landesapothekerkammern (LAK) mehr Informationen über die Organisation des Notdienstes austauschen, um die Versorgung der Versicherten zu verbessern. Vielmehr soll die KV gemeinsam mit dem Träger des jeweiligen Krankenhauses einen Vertrag mit einer öffentlichen Apotheke schließen. Dieser Vertrag muss der Behörde drei Wochen vorab vorgelegt werden.
Dies wird spiegelbildlich in einem neuen § 12b Apothekengesetz (ApoG) geregelt: „Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke kann zur Versorgung von Patienten einer Notdienstpraxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten einen Vertrag mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und dem Träger des Krankenhauses, mit dessen Notaufnahme die Notdienstpraxis ein Integriertes Notfallzentrum bildet, schließen.“
Weiter heißt es: „Die Versorgung kann durch die öffentliche Apotheke erfolgen, wenn diese in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis liegt. Liegt die öffentliche Apotheke nicht in unmittelbarer Nähe zur Notdienstpraxis, kann die Versorgung durch den Betrieb einer zweiten Offizin dieser Apotheke mit Lagerräumen an dem Standort, an dem die Notdienstpraxis betrieben wird, erfolgen, wenn die Räume der zweiten Offizin in angemessener Nähe zu dieser Apotheke liegen.“
In § 4 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) wird entsprechend eine Ausnahme von der Raumeinheit eingefügt: „Eine notdienstpraxisversorgende Apotheke kann […] zusätzlich Betriebsräume einer zweiten Offizin mit Lagerräumen an dem Standort, an dem die betreffende Notdienstpraxis betrieben wird, umfassen.“ Vorgaben zur Barrierefreiheit und Vertraulichkeit gelten genauso wie zu Lagebedingungen; Änderungen müssen der Behörde auch angezeigt werden.
Apotheken, die einen entsprechenden Vertrag geschlossen haben, sind während der Öffnungszeiten der jeweils betreffenden Notdienstpraxis zur Dienstbereitschaft verpflichtet – dies gilt entweder für die Apotheke oder auch die sogenannte „zweite Offizin“. Vorgesehen ist, dass die Notdienstpraxis an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr, mittwochs und freitags von 14 bis 21 Uhr und montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 21 Uhr geöffnet hat. Kürzere Öffnungszeiten sind möglich, wenn die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gegenüber dem Krankenhaus nachweist, dass der Betrieb der Notdienstpraxis nicht bedarfsgerecht wäre.
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