Ärzte-Korruption

Kassen spielen Kommissar

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Berlin -

Man kommt sich vor wie bei der Polizei. „Haben Sie einen konkreten

Verdacht“, fragt der GKV-Spitzenverband in einem Formular auf seiner Homepage. Alle, die unlautere

Machenschaften in Arztpraxis, Apotheke, Klinik oder Pflegeheim mitbekommen haben,

können Angaben zur „Tatverdächtigen Person“,

zu „Tatort“ und „Tatzeit“ machen. Die Ärzte schäumen vor Empörung.

Losgetreten hat die Aufregung am Freitag der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler. Er sieht die Mediziner verunglimpft. Die Wortwahl der Kassen suggeriere ein schweres Verbrechen. Ärzte- und Kassenfunktionäre liegen oft im Clinch miteinander. „Mit diesem Vorgehen halten die Krankenkassen an ihrer Diffamierungskampagne gegen die Ärzteschaft fest“, wettert Köhler und fordert sogar, die Seite sofort vom Netz zu nehmen: „Wie sollen vor dem Hintergrund des Denunziationsaufrufs noch vertrauensvolle Verhandlungen und Gespräche möglich sein?“

Auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) meldet sich wenig später zu Wort. „Krankenkassen sind keine Staatsanwaltschaften und sollen sich auch nicht anmaßen, diese zu ersetzen“, sagt er den Ruhr Nachrichten.

Das Problem ist allerdings, dass den Staatsanwälten heute oft die Hände gebunden sind. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist etwa Korruption niedergelassener Ärzte derzeit nicht strafbar, weil Ärzte keine Beauftragte der Krankenkassen sind. Derzeit bereitet Bahr eine Verschärfung per Gesetz vor. Wenn ein Arzt bestimmte Pillen nur deshalb verschreibt, weil er dafür Geld vom Pharmahersteller bekommt, sollen bis zu drei Jahre Haft fällig werden können.

Bei den Krankenkassen sind bereits eigene Fahnder auf der Jagd. Rund 53.000 Verdachtsfälle von Betrug und Fehlverhalten im Gesundheitswesen haben die Kassen 2010 und 2011 verfolgt, Mehrfachzählungen sind dabei allerdings möglich.

Warum die Aufregung? „Das Formular steht seit drei Jahren auf unserer Internetseite“, sagt ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands. „Erstaunlich, dass die KBV das erst jetzt entdeckt hat.“

Doch das Thema brennt den Ärzten derzeit unter den Nägeln. Noch ist nicht ausgemacht, ob Bahrs Pläne noch verschärft werden. Laut CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn wird erwogen, die Regeln gegen Korruption im Strafrecht statt – wie es Bahr will – nur im Sozialgesetzbuch aufzunehmen. Beim nächsten offiziellen Ländertreffen der Justizminister im Juni will Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchefin Uta-Maria Kuder (CDU) den Vorschlag vorlegen, einen eigenen Straftatbestand zu schaffen.

Dabei meinen auch die Kassen, dass es nur wenige sind, die sich bereichern – möglicherweise auch auf Kosten der Gesundheit von Patienten. „Die vielen, vielen ehrlichen Ärzte und anderen Leistungserbringer hätten es verdient, dass sich alle Institutionen ernsthaft gegen die Aktivitäten der schwarzen Schafe im Gesundheitswesen engagieren“, sagt der GKV-Sprecher.

Anonyme Meldung sollen die Versicherten jedenfalls weiter machen können. Seitdem das Formular im Netz ist, gingen laut dem Verband auch deutlich mehr Hinweise ein. Einen gesetzlichen Schutz von Hinweisgebern gibt es in Deutschland nicht. Wenn heute etwa eine Pflegerin auf Missstände in ihrem Heim hinweist, muss sie mit einer Kündigung rechnen – außer sie bleibt unerkannt.

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