Ärztinnen und Ärzte müssen Rezepte eigenhändig unterschreiben, eine Freigabe per Stempel genügt nicht. Das Bundessozialgericht (BSG) hat gestern Regresse gegen einen Arzt in Höhe von 491.000 Euro bestätigt.
Die Sprungrevision eines Professors für Innere Medizin ist ohne Erfolg geblieben. Zu Recht hatte der beklagte Beschwerdeausschuss laut BSG gegen den auf den Bereich Kardiologie spezialisierten Mediziner einen Regress in Höhe von 491.000 Euro festgesetzt, weil er in den Jahren 2015 bis 2018 Sprechstundenbedarfsverordnungen nicht persönlich unterzeichnet hatte, sondern stattdessen ein Unterschriftenstempel zum Einsatz kam, so das BSG.
Zutreffend sei das Sozialgericht (SG) Marburg davon ausgegangen, der durch einen Vertragsarzt verursachte Schaden, der einer Krankenkasse aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen oder aus der fehlerhaften Ausstellung von Bescheinigungen entsteht, durch die Prüfungseinrichtungen festgestellt werden kann. Der Mediziner habe die für Vertragsärzte bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt: Die persönliche Unterschrift des Arztes beziehungsweise die qualifizierte elektronische Signatur sei wesentlicher Bestandteil der Gültigkeit einer Verordnung. „Nur mit einem Unterschriftenstempel versehene Verordnungen können diese hohen Qualitätsanforderungen und die Gewähr für die Richtigkeit und vor allem Sicherheit der Auswahl des verordneten Arzneimittels nicht erfüllen.“
Der Arzt hätte die Regularien der persönlichen Unterzeichnung jeglicher Art von ärztlichen Verordnungen kennen müssen und sie nicht eigenmächtig ändern dürfen. Die Regelungen des Bundesmantelvertrags (BMV-Ä), der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) und der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) müsse jeder Vertragsarzt kennen.
Infolge der Pflichtverletzungen sei der Krankenkasse auch ein Schaden in der festgesetzten Höhe entstanden. „Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnungen nicht eingelöst worden sind oder es zu Zurückweisungen der Verordnungen durch Apotheken gekommen wäre, liegen nicht vor.“ Auf den Einwand des Klägers, dass die Verordnungen jedenfalls medizinisch indiziert gewesen seien, komme es nicht an. Die Festsetzung des Regresses verstoße auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei auch nicht unverhältnismäßig. „Der Regress entspricht der Summe der in vierzehn aufeinanderfolgenden Quartalen unrichtig ausgestellten Sprechstundenbedarfsverordnungen.“
Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Krankenkasse komme nicht in Betracht. „Die Fehlerhaftigkeit der Verordnungen ist nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen, so dass eine – die Schadenshöhe mindernde – frühere Antragstellung durch die Krankenkasse nicht auf der Hand liegt.“
In einem anderen Fall hatte das SG Dortmund die Klage einer 65-jährigen Fachärztin für Psychiatrie abgewiesen, die sich gegen Regresse in Höhe von 740.000 Euro wehrte. Sie hatte seit 2013 einen Großteil der Arznei- und Hilfsmittelverordnungen nicht mehr mit einer eigenhändigen Unterschrift versehen; stattdessen wurde – teils von ihr, teils vom Praxispersonal – entweder ein Paraphen- oder ein Unterschriftstempel aufgebracht. In dem Verfahren wurde auch das Thema Retaxation angesprochen: „Im Rahmen des normativen Schadensbegriffs ist eine Retaxierung nur dann beachtlich, wenn diese tatsächlich erfolgt ist“, so das SG. „Das ist vorliegend nicht geschehen.“