„Verzicht gefährlicher als kontrollierte Anwendung“

Pregabalin: Ärzte kritisieren Panikmache

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Berlin -

Steigende Zahlen von Todesfällen in Großbritannien, die im Zusammenhang mit Pregabalin stehen sollen, sorgten zuletzt für Aufsehen. Mehr noch: Internationale Medien sorgten für ein regelrechtes „Bashing gegen ein Medikament, das für uns in der Palliativ- und Schmerzmedizin unverzichtbar ist“, so Dietmar Weixler, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG). Für ihn ist klar: „Ein Verzicht auf Pregabalin wäre gefährlicher als eine kontrollierte, medizinisch indizierte Anwendung.“

Insgesamt soll es zu 1625 Todesfällen im Zusammenhang mit der Einnahme von Pregabalin zwischen 2017 und 2022 in England und Wales gekommen sein. Dies ging aus einer Erhebung des britischen „Office for National Statistics“ (ONS) hervor, die von der „Sunday Times“ zitiert wird. Laut Bericht soll es bei keinem anderen Medikament eine schneller steigende Zahl an Todesopfern in ganz Großbritannien geben haben. Weixler ärgert sich über dieses „Bashing gegen ein Medikament, das für uns in der Palliativ- und Schmerzmedizin unverzichtbar ist.“

„In dem Artikel berichtete eine Frau über den tragischen Tod ihres Sohnes im englischen Suchtmilieu“, so Weixler: „Der in der Zeitung zitierte wissenschaftliche Artikel von Nicola J Kalk aus 2022 ist aus dem Bereich der forensischen Medizin und kann ohne detaillierte Interpretation heftig verunsichern. Die von uns bereits 2015 kritisierte Methodik, anhand von Blutspiegelmessungen an einem nicht repräsentativen Kollektiv von Leichen auf die Todesursache zu schließen, steht in krassem Konflikt mit der klinischen Praxis, einer sorgfältigen Therapieplanung und -kontrolle in der Palliativ- und Schmerzmedizin“, so der OPG-Präsident.

„Pregabalin ist essenzieller Bestandteil“

„Ein Verzicht auf Pregabalin aufgrund eines einzelnen Fallberichts aus der Drogenszene wäre nicht im Sinne der Patient:innensicherheit“, so Weixler. Im Gegenteil: „Das Medikament ist im Rahmen einer medizinisch indizierten und kontrollierten Anwendung essenzieller Bestandteil im Instrumentarium einer wirksamen Palliativ- und Schmerzmedizin“, stellt er klar. Unterstützt wird seine Aussage auch von der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).

Für ÖSG-Generalsekretär Rudolf Likar ist der Umgang mit dem Medikament im Rahmen seiner Palliativ- und Schmerztätigkeit tägliche Routine. Likar hält die Studienergebnisse für „äußerst fragwürdig“. „Weder wurden demografische Daten oder Begleiterkrankungen erhoben, noch wurde zwischen Schmerz- und Substitutionspatient:innen unterschieden“, so Likar. „Die in den Studien beschriebenen toxischen Eigenschaften von Pregabalin wären in den Dosierungen, die in der Schmerzmedizin gegeben werden, nicht relevant.“ Denn: „Hier folgt man immer dem Motto ,Start low, go slow!', also mit niedriger Dosierung beginnen und langsam auftitrieren“, so der Experte.

Verzicht ist fatal

Deswegen wäre der Verzicht auf dieses Medikament fatal: „Wir brauchen Pregabalin in der Schmerzmedizin. Neben der schmerzhemmenden Wirkung ist es auch angstlösend und verbessert die Schlafqualität. Zwei wichtige Eigenschaften um die Lebensqualität chronischer Schmerzpatient:innen zu verbessern“, so Likar. Denn: „In der Therapie, dieser sogenannten neuropathischen Schmerzen, gilt Pregabalin heute in Österreich als eines der wichtigsten und am häufigsten verordneten Medikamente.“

Laut Weixler sei Pregabalin „fraglos ein Wirkstoff mit bedeutendem Nebenwirkungspotenzial“ und eine „entsprechende Aufklärung und engmaschige Kontrolle der Patient:innen ist für verordnende und begleitende Ärzt:innen daher dringend geboten“. Aus OPG-Sicht wäre darauf zu verzichten, „völlig unverantwortlich“.

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