Urteil

Kava-Kava: Widerruf als letztes Mittel

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Berlin -

Im Streit um die Kava-Kava-Präparate hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) die engen Grenzen für den möglichen Widerruf einer Zulassung bestätigt. In der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung betonen die Richter, dass die Zulassung nur dann entzogen werden darf, wenn es kein milderes Mittel gibt. Im Fall Kava-Kava hätte demnach eine Anpassung ausgereicht. Die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) war damit nicht zulässig.

Aufgrund von Verdachtsfällen in der Schweiz hatte das BfArM ein Stufenplanverfahren eingeleitet und 2002 ein Ruhen der Zulassung angeordnet. Nachdem sich Behörde und Hersteller nicht darauf einigen konnten, welche Studien vorgelegt werden müssen, wurde die Zulassung im Dezember 2007 widerrufen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte den Widerruf des BfArM im Mai 2014 aufgehoben. Daraufhin hatte die Behörde Rechtsmittel eingelegt. Im Februar bestätigte das OVG das Urteil der Vorinstanz.

Das BfArM hatte argumentiert, dass die Wirksamkeit nicht hinlegend belegt sei. Zudem habe Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität. Daher sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig.

Dem folgten die Richter aber nicht. Die Tatsache, dass das vorliegende Material heute nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) entspreche, wecke keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen der Präparate.

Die Auffassung des BfArM, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, sei nicht gerechtfertigt. „Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre“, so die Richter.

Die vom BfArM vorgelegten Daten sind den Richtern zufolge ausreichend für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen. Dafür bedürfe es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und der aufgetretenen Nebenwirkung. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung sei der Verdacht aber graduell und qualitativ näher zu bestimmen.

Aus Sicht der Richter sprechen jedoch deutschlandweit 20 und laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 62 Fälle bei einem Anwendungsvolumen von 250 Millionen Tagesdosen in zehn Jahren „für eine sehr geringe Inzidenzrate“. Außerdem erscheine die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalszusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft.

Im Ergebnis geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte zwar sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können. Hiervon ausgehend sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis derzeit ungünstig – allerdings nicht generell, sondern nur dann, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden seien, um die Risiken einzudämmen.

Die Kommission E des BfArM, die die Behörde bei der Zulassung von traditionellen Arzneimitteln und von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen berät, hat den Richtern zufolge verschiedene Regularien zur Eindämmung der Risiken empfohlen: die Verschreibungspflicht, eine klare Indikationsstellung, eine maximale Tagesdosis von 120 mg Kava-Pyrone, eine Packungsgröße von maximal 30 Einheiten à 120 mg Kava-Pyronen, eine Therapiedauer von üblicherweise einem und maximal zwei Monaten sowie die regelmäßige Bestimmung der Leberwerte.

Die Richter gehen davon aus, dass mit diesen Maßnahmen die Risiken in Relation zum Nutzen „auf ein vertretbares Maß reduziert werden“ könnten. Das werde daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung gestützt habe, mindestens ein begrenzbarer Risikofaktor vorgelegen habe.

Da diese Maßnahmen aber derzeit noch nicht ausgeschöpft sind, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Präparate derzeit ungünstig, so die Richter mit Blick auf die Dosierung und die fehlende Begrenzung der Anwendungsdauer auf maximal zwei Monate.

Aus Sicht der Richter sprechen die Tatsache, dass hepatotoxische Ereignisse weitgehend vermeidbar sind, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegen ein generell ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis. Daher sei der Widerruf nicht gerechtfertig. Denn eine Änderung der Zulassung sei vorrangig, und nach einer entsprechenden Anpassung an die Empfehlung der Kommission E sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht mehr ungünstig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das BfArM kann in Revision gehen.

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