Die Apotheken vor Ort kämpfen aktuell gegen Versender wie Shop Apotheke und DocMorris. Aber kämpfen sie auch gegen ein schlechtes Image? In der Publikumspresse heißt es mitunter aus unterschiedlichen Richtungen: Apotheken vor Ort seien zu teuer, träge, zu unpraktisch und stehen sich selbst im Weg. Das Handelsblatt ging noch einen Schritt weiter: In einem Kommentar in typischer „Wirtschaftspressemanier“ hieß es, „Lidl und dm wollen auf Apotheke machen. Na und?“ Die Kritik ist alt und überholt. Solche Phrasen sollten die Apothekenteams weglächeln. Ein Kommentar von Sandra Piontek.
Der Strukturwandel im Apothekenmarkt sei noch lange nicht zu Ende: „Das mag für die bisher durch den Staat beschützten Apotheker eine bittere Nachricht sein – für die Patienten aber eher das Gegenteil“, hieß es unlängst im Handelsblatt. Durch die Discounter und Drogerieketten sollen Medikamente bezahlbarer werden. Das darunter aber auch die Qualität und Individualität leiden, wird dort nicht erwähnt. Braucht es also bald keine Apotheken mehr?
Glaubt man den Äußerungen des Handelsblattes, ist alles gar nicht so schlimm. Denn: Den Apotheken bliebe doch immer noch „ein mehr als 60 Milliarden Euro schwerer Markt“ für verschreibungspflichtige Medikamente. „Zwar erobern ausländische Versender mithilfe des elektronischen Rezepts auch hier gerade Raum“, wird eingeräumt, aber es seien nicht einmal 2 Prozent Marktanteil. Die Apotheken hätten immer noch Zeit zu reagieren, auch wenn sie durch politische Regularien stark eingeschränkt seien. Genau hier liegt doch aber der Knackpunkt, denn wie sollen Apotheken in einem so engen politischen Korsett eigenverantwortlich handeln, wenn es schon daran hapert, im Notdienst simple Wirkstoffe aufgrund von Engpässen auszutauschen?
Apothekensterben? Selber schuld, lautet auch das Credo eines Erfahrungsberichts des überregionalen Blogs „Ruhrbarone“. Denn in der Vor-Ort-Apotheke werde nur selten bis gar nicht kompetent beraten, so die Empfindung des Autors. Meist laufe es mit Griff ins Regal auf ein knappes „Die da sind gut“ hinaus, beschwert er sich. Das sei beim Versender ganz anders. Hier gebe es „kein Gedränge“ und vor allem „keine eingeschränkten Öffnungszeiten“, macht er klar. Da könne die Apotheke vor Ort nicht mithalten.
Dabei ist es doch in den Apotheken vor Ort genau andersrum! Wer steht nachts um drei an der Notdienstklappe, sucht nach dem günstigsten Erkältungspräparat oder kann mit der vergessenen Pre-Nahrung für das Baby aushelfen? Hier können die Versender nicht mithalten. Auch nicht mit kompetenter und persönlicher Beratung, auch wenn sie immer wieder auf ihre Hotlines verweisen. Nicht bei plötzlichem Fieber oder Durchfall, und auch nicht bei einem dringend benötigten Antibiotikum für das schreiende Kleinkind, mit dem Eltern nachts aus dem Klinikum in die nächste Bereitschaftsapotheke geschickt werden.
Persönliche Nähe in der Apotheke? Fehlanzeige! – so lautet das Fazit des Autors. Laut ihm halten sich Inhaber:innen für einen „unantastbaren Teil der Daseinsvorsorge“ und reden „selbstgefällig über Vertrauen“ und „Beratungskompetenz“. In der Zwischenzeit hätte der Onlinehandel längst geliefert. Er zählt auf: Video-Beratung durch Fachpersonal, digitale wie postalische Rezeptannahme, Bonusprogramme und vieles mehr. Das sei nicht nur „modern und effizient“, sondern auch unproblematisch. Schade nur, dass Shop Apotheke & Co. bei Polymedikationen und unerwarteten Nebenwirkungen auch nicht helfen können.
Diese Aussagen können schmerzlich sein, sollten aber von den Teams weggelächelt werden. Denn die Beispiele sind viel zu kurz gedacht und schlicht falsch. Wie auch der Hinweis, dass Apotheken häufig nicht vorrätige Arzneimittel bestellen müssten und alles zu träge sei. Es ist genau andersherum: Apotheken vor Ort liefern deutlich schneller als die Versender. Denn selbst wenn nicht vorrätige Arzneimittel bestellt werden müssen, werden diese – bis auf wenige Ausnahmen – innerhalb von Stunden per Großhandel geliefert.
Wenige Ausnahmen stellen zum Beispiel Lieferengpässe dar, mit denen Versender aber ebenfalls zu kämpfen haben. Nicht zu vergessen: Die Lieferung per Apothekenboten kommt in den meisten Fällen sogar frei Haus und mit Berücksichtigung von Sonderwünschen à la: bitte erst nach 20 Uhr klingeln. Dazu werden immer mehr Abholautomaten für noch mehr Flexibilität aufgestellt. All das zeigt: Die Apothekenbranche ist modern und digitalisiert, man muss es aber sehen wollen.
Wie sieht es eigentlich bei den Versendern mit den vielen weiteren kostenlosen und persönlichen Serviceleistungen aus, die stationäre Apotheken tagtäglich erbringen? Die Beispiele sind unzählig: Zeitaufwendige Telefonate mit Arztpraxen und Kliniken, weil Rezepte unleserlich oder schlicht falsch ausgestellt wurden, oder Akutmedikationen, die so nicht verfügbar wären, die Anfertigung von antibiotischen Trockensäften für Mütter mit Kleinkindern oder die Hilfe bei Sprachbarrieren für Patient:innen mit Migrationshintergrund, schnell ein Taxi rufen, Fragen zu unverständlichen Beipackzetteln oder schlicht zu Öffnungszeiten von umliegenden Läden. Die Liste ist lang.
Achja: Es gibt Apotheken mit überflüssigen Kosmetikartikeln? Das zumindest behauptet der Autor von Ruhrbarone. Dabei vergisst er allerdings, dass nicht irgendwelche Cremes, Körperlotionen oder Handcremes über den HV gehen, sondern Produkte für spezielle Hautbedürfnisse. Etliche Kundinnen und Kunden dürften es sehr schätzen, dass es die ein oder andere Kosmetikprobe inklusive persönlicher Beratung gratis gibt, dass auf individuellen Wunsch auch Kleinstmengen in Kruken abgefüllt werden, damit sich auch jeder Hauttyp an die neue Pflege anpassen kann, ohne die ganze Packung teuer zu erwerben. Dass Versender diesen Service anbieten, wäre neu. Wenn überhaupt gibt es zufällige Kosmetikproben.
Apothekenteams sollten solche daher gesagten Phrasen wie im Handelsblatt oder der Lokalpresse kalt lassen. Denn sie beweisen täglich, was sie Großartiges in der wohnortnahen Arzneimittelversorgung leisten. Sätze wie „Es muss immer alles erst bestellt werden“ oder das „Online-Bestellsystem ist so viel praktischer“ verkennen den Blick auf das große Ganze. Will heißen: Vor-Ort-Apotheken sind essenziell und aus der Infrastruktur von Stadt und Land nicht wegzudenken. Die Autoren sollten bei ihrer Recherche weitere Perspektiven mit einbeziehen und Senior:innen oder schwer Kranke befragen, wie sie die Apotheke vor Ort bewerten.
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