Angebot und Nachfrage in Apotheken

Impfungen: „Wollen Ärzte nicht ersetzen, sondern entlasten!“

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Berlin -

Das Thema Impfen in den Apotheken vor Ort wird aktuell viel diskutiert. Der Bedarf ist da, das spiegelt die Kundschaft den Teams regelmäßig wieder. Trotzdem sorgt diese Dienstleistung bei den Krankenkassen und vielen Arztpraxen für ordentlich Gegenwind. Laut dem Referentenentwurf sollen die Impfkompetenzen in den Apotheken deutlich ausgeweitet werden. Das freut viele Inhaber:innen, aber es gibt auch Skepsis.

Die Nachfrage nach Impfungen in der Apotheke ist schon hoch. Das zeigen Aktionen wie die „Lange Nacht des Impfens“ deutlich. Mehrere Apotheken erlebten an diesem Tag in den Abendstunden einen regelrechten Ansturm. Laut dem Referentenentwurf soll die Impfkompetenz der Apotheken nun deutlich ausgeweitet werden.

Konkret heißt es: „Abweichend von § 20 Absatz 4 Satz 1 sind Apotheker zur Durchführung von Schutzimpfungen mit Impfstoffen, die keine Lebendimpfstoffe sind, berechtigt, wenn sie

  1. hierfür ärztlich geschult wurden und ihnen die erfolgreiche Teilnahme an der Schulung bestätigt wurde,
  2. die Schutzimpfungen für eine öffentliche Apotheke, zu deren Personal sie gehören, durchführen und
  3. die Schutzimpfungen bei einer Person durchführen, die das 18. Lebensjahr vollendet hat.“

Über die Kompetenzerweiterung freuen sich die Inhaber:innen auf der einen Seite, auf der anderen sind sie aber auch skeptisch.

Menschen sind dankbar

Inhaberin Isabel Lück-Ternäben aus der Flottkamp-Apotheke in Kaltenkirchen bestätigt: „Aus unserer dreijährigen Impferfahrung mit mittlerweile mehr als 1600 Impfungen heraus kann ich nur sagen, dass die Leute dankbar für das Angebot sind.“

Bisher konnten sie und ihr Team nahezu jeden Impfwunsch zeitnah erfüllen. Mehr noch: „Einige Patienten kommen nun schon mehr als 60 Kilometer zu uns gefahren, das dritte Jahr in Folge, weil es ihnen bei uns so gut gefällt“, macht sie deutlich. Es würde zudem keine Arztpraxis in der Umgebung mehr gegen Covid-19 impfen.

„Was sagt uns das?“, fragt Lück-Ternäben. „Wir dürften auch ruhig mal ein bisschen stolz sein“, betont sie. „Und nicht immer nur dankbar für alles, was nach der Absegnung durch ärztliche und oft auch unsere Standesvertreter für uns übrig bleibt.“ Zudem ist sie der Meinung: „Es ist auch an der Zeit, Impfungen durch qualifizierte PTA zuzulassen, die Aufklärung der Patienten kann ja gerne ein Approbierter machen.“

60 Stunden pro Woche

Die Kundschaft schätze jedenfalls, was „wir permanent leisten“, bekräftigt Lück-Ternäben. „Das sind in unserem Fall an die 60 Stunden pro Woche“, erklärt sie. Denn in der Apotheke werde nicht selbstverständlich freitags um 12 Uhr bis montags um 8 Uhr alles eingestellt, so die Inhaberin.

Vor allem für Berufstätige sei das Impfangebot in der Apotheke besonders attraktiv. „Wir wollen Ärzte nicht ersetzen! Wir wollen Ärzte entlasten, damit sie sich für ihre Patienten wieder mehr Zeit nehmen können.“ Es sei Zeit für ein „bisschen mehr Augenhöhe“, findet Lück-Ternäben. Sie sagt deutlich: „Apotheken sollen mehr impfen.“

Im Hinblick auf die Bürokratie wünscht sie sich: „Es müsste der Aufwand reduziert werden. In meiner Software gibt es beispielsweise keine direkte Schnittstelle für die Meldung der Impfungen, das zieht viel Zeit für die Bearbeitung nach sich.“ Über die Vergütung will sie sich nicht beschweren. „Natürlich könnte es mehr Geld sein, es lohnt sich auch nicht, wenn man zwei Impfungen am Tag macht. Impft man viel, ist die Vergütung in Ordnung“, so Lück-Ternäben.

Impfungen in Apotheken „prinzipiell großartig“

Ina Leischner, Inhaberin der Neuen Apotheke in Hohenmölsen bei Leipzig, findet die Möglichkeit des Impfens in den Apotheken „prinzipiell großartig“. Das Angebot sei für Patienten schnell, unkompliziert und niedrigschwellig, sagt sie. Aber: „Man schickt uns als Apotheke in die direkte Konkurrenz mit den Praxen, denn die Ärzte müssen ja auch ihre Quote erfüllen“, erklärt Leischner.

„Bisher hatten wir immer ein gutes Verhältnis zu unseren umliegenden Praxen“, betont sie. Die Inhaberin befürchtet, Apotheken könnten in Folge zu viel impfen, so dass die Stimmung kippt. „Ich finde das perfide seitens der Politik“, so Leischner. Auch die Vergütung für das Impfen in der Apotheke sieht sie kritisch. „Wir müssen Personal bereithalten, in ein Buchungssystem investieren und entsprechende Räumlichkeiten schaffen. Das wird durch die geringe Vergütung nicht gut abgedeckt“, sagt sie.

Zusammenarbeit hat Priorität

Ein weiteres Hindernis sei für sie die zeitaufwendige Bürokratie. „Wir müssen einen Anamnese-Bogen ausfüllen, alles mehrfach melden und zu guter Letzt, wenn vorhanden, alles in die elektronische Patientenakte eintragen“, betont Leischner. „Wir wollen impfen, aber wenn dann noch mehr schlecht bezahlte Aufgaben hinzukommen, sehe ich das kritisch.“ Schlussendlich zählt sie beim Thema Impfen auf die gute Zusammenarbeit mit den Arztpraxen: „Ich werde nichts gegen den Willen meiner Ärzte vor Ort tun.“

Impferweiterungen sind wichtiger Schritt

Dominik Herzog, Inhaber der Herzog-Apotheke in Neckargemünd, spricht sich deutlich für das Impfen in der Apotheke aus. Schon länger wirbt er auch aktiv für diese Dienstleistung, mit großen Plakaten in der Stadt. „Deine Grippeimpfung in deiner Apotheke“, so der Slogan. Den Wunschtermin können Patienten und Patieninnen einfach und unkompliziert online buchen. Im Hinblick auf die geplante Erweiterung zu Impfungen in den Apotheken im Referentenentwurf, sagt er: „Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.“ Denn der Bedarf sei aktuell sehr hoch. „Generell läuft das Thema Impfen bei uns in der Apotheke schon jetzt extrem gut.“

Arztpraxen scheuen den Aufwand

Würden auch Impfungen gegen FSME, Keuchhusten oder Hepatitis B in die Apotheken verlagert, sei das positiv zu bewerten. „Ich würde mich darüber freuen und hätte auch kein Problem mit Lebendimpfstoffen“, betont Herzog.

Auch einen Konkurrenzkampf sehe er nicht. „In unserer Gegend habe ich eher das Gefühl, das die Arztpraxen zum Beispiel Corona-Impfungen schon an die Apotheke abgegeben haben, es impft kaum noch eine Praxis dagegen.“ Herzog vermutet, dass das auch am Aufwand liegeAuch wegen des Aufwands, vermutet er: „Man braucht für ein Vial ja sechs Personen, aber das ist bei uns kein Problem, die Nachfrage ist da, wir werden regelrecht überrannt.“

Impfen in Apotheken ist Zukunft

Im Hinblick auf die immer wieder monierten Durchimpfungsraten sagt Herzog: „Die Quote der Impfungen kann durch die Apotheken vor Ort verbessert werden. Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto besser ist es doch.“ In dem niedrigschwelligen Impfangebot sieht er die Zukunft. „Es kommen jetzt schon Menschen über 70 Kilometer zu uns gefahren, um sich immunisieren zu lassen.“

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