Vor 35 Jahren übernahm Stefanie Ehrlich die Fontane-Apotheke in Hamburg-Hamm – damals ein lebendiges Viertel mit Arztpraxen, Einkaufsläden und regem Leben. Heute sind die Ärztinnen und Ärzte verschwunden, Altenheime kämpfen mit Personalmangel. Nun hat auch die traditionsreiche Stadtteilapotheke für immer ihre Türen geschlossen. „Jetzt gibt es hier im Stadtteil gar nichts mehr“, sagt Ehrlich.
Als Ehrlich damals die Apotheke von ihrem Vater übernahm, war der Hamburger Stadtteil Hamm noch ein lebhaftes Viertel. „Acht Ärzte, einen Schlachter, einen kleinen Einkaufsladen und einen Gemüsemann. Der ist zuerst verschwunden, dann die ganzen Ärzte in die MVZs.“
Diese Entwicklung habe auch mit einem Projekt des damaligen Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) zu tun. „Herr Lauterbach macht gerne Reklame für eine Praxis, die die Fälle für das Marienkrankenhaus sondiert, direkt neben der Notfallpraxis. Dahin sind die ganzen Kassenzulassungen hier aus dem Viertel geflossen. Jetzt gibt es hier keine Ärzte mehr, das ist für die Älteren wirklich schwierig“, betont die Inhaberin.
„Ich denke, dass es politisch in Richtung Zentren geht und dass so kleine Apotheken – Stadtteilapotheken wie meine – irgendwann überhaupt nicht mehr gefragt sind. Jetzt gibt es hier im Stadtteil gar nichts mehr.“ Dabei hätten Apotheken wie ihre weit mehr Kompetenzen als nur die Versorgung und Beratung von Arzneimitteln. „Wir machen viel mehr. Wie viele einsame Menschen wir mit Gesprächen und Zuspruch auffangen. Das fällt jetzt alles weg.“
Ehrlich weiß, dass die Fontane-Apotheke kein Einzelfall ist. „Das ist überall so, da geht die Entwicklung hin.“ Veränderungen habe es auch durch das E-Rezept und durch Corona gegeben. Auch in dieser Zeit hat die Fontane-Apotheke Altenheime versorgt. „Die haben mit 176 Patienten angefangen, da sind es noch 69. Die finden auch kein Personal.“ In Hamm komme eines zum anderen, sagt Ehrlich.
Nun habe sie das Rentenalter erreicht, ist Großmutter geworden – und will sich künftig genau darauf konzentrieren. Dennoch hätte sie ihre Apotheke gerne an einen motivierten jungen Kollegen übergeben. „Ich habe lange gesucht, aber keinen Nachfolger gefunden.“
Gerade in der letzten Arbeitswoche kamen viele Stammkundinnen und Kunden noch einmal vorbei um sich zu verabschieden: „Der ganze Zuspruch jetzt tut auch gut, die Leute kommen zu uns und sagen, dass sie es bedauern, dass wir schließen. Mir zeigt das: Ich habe alles richtig gemacht – und würde es auch genau so wieder machen.“
Am 15. August hatte die Apotheke zum letzten Mal geöffnet – ganz Schluss ist aber noch nicht. „Die Heime versorgen wir noch bis Ende des Monats weiter und natürlich muss die Apotheke noch ausgeschlachtet werden.“