Arzneimittelabhängigkeit

Glaeske warnt vor Patientenklagen

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Berlin -

Das ZDF-Magazin WISO hat sich in seiner gestrigen Ausgabe mit dem Thema Medikamentenabhängigkeit befasst. Dem TV-Beitrag zufolge gibt es mit geschätzt 1,9 Millionen Tablettenabhängigen mehr Betroffene als Alkoholiker. Der Gesundheitsökonom Professor Dr. Gerd Glaeske weist auf das Risiko für Ärzte hin, auf Schadensersatz verklagt zu werden, wenn sie allzu leichtfertig Verschreibungen ausstellen.

An Einzelschicksalen wird im Beitrag der Weg in die Abhängigkeit nachgezeichnet. Ein Fließbandarbeiter etwa, der aus Angst vor dem Jobverlust immer mehr Arzneimittel gegen seine Knieschmerzen einnahm. Innerhalb von drei Stunden bei der Arbeit hatte er zuletzt zehn Ibuprofen 600 genommen. Erst als Schwindelgefühle einsetzten, ging der Mann zum Arzt.

Eine Krankenschwester nahm Beruhigungsmittel, täglich bis zu 25 Tabletten. Sie berichtet von ihrem „Ärztehopping“ zur Beschaffung der Medikamente: „Jeden Tag einen anderen Arzt aufsuchen, das ist auch ein ungeheuerer logistischer Aufwand, den man da betreiben muss.“

WISO testet, wie leicht Patienten an verschreibungspflichtige Arzneimittel kommen, wenn sie zum ersten Mal eine Praxis besuchen. Bei sechs Frankfurter Allgemeinmedizinern klagen die Testpatienten über Einschlafprobleme. Jedes Mal gibt es eine Verordnung, häufig über Schlafmittel wie Zopiclon oder Frisium. In der Mehrzahl der Fälle hatten die Ärzte laut Bericht nicht auf Alternativen zur Tabletteneinnahme.

Dass Patienten relativ leicht an solche Mittel kämen, könne auch für die Ärzte zum Problem werden, warnt Glaeske. „Wenn man Patienten abhängig gemacht hat, kann der Patient Schmerzensgeld verlangen“, so der Gesundheitsökonom. In Deutschland würden Ärzte zwar noch vergleichsweise selten verklagt, doch Glaeske erinnert an einen Fall in Bremen, bei dem ein Patient vor einigen Jahren rund 75.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen bekam.

Glaeske findet, dass das Problem der Abhängigkeit nach wie vor unterschätzt werde. Begünstigt wird dies laut Bericht dadurch, dass 50 Prozent der Schlafmittel heute auf Privatrezept verordnet würden. So müssten die Ärzte keine Kontrolle ihrer Verordnungen befürchten.

Die WISO-Reporter haben sich sogar in der Frankfurter Drogenszene umgetan. Die illegale Beschaffung starker Beruhigungsmittel zieht sich laut Bericht durch die gesamte Gesellschaft. Zehn Tabletten Diazepam kosten auf der Straße demnach 20 Euro – Doping für den Alltag mit Medikamenten.

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