Erst 2022 schloss Apotheker Hauke Stange zwei seiner drei Apotheken in Bielefeld. Doch der Inhaber wollte keinesfalls auf Expansion verzichten: Für ihn ist vor allem der Standort entscheidend. Im August hat er nach umfangreichen Umbauarbeiten nun seinen neuesten Standort im Kaufland Bielefeld-Mitte eröffnet.
Schon seit 2012 ist Stange selbstständig. Mit 32 übernahm er damals gleich zwei Filialen in einem Bielefelder Stadtteil. Die Apotheken waren profitabel, 2014 übernahm er seinen dritten Betrieb – alle im selben Bezirk.
Im Jahr 2022 modernisierte er die größte seiner drei Apotheken – seine Hauptapotheke, die Adler Apotheke, umfassend. Doch seine beiden ersten Filialen schlossen 2022 und 2023 für immer ihre Türen. „Es waren Stadtteilapotheken – teilweise mit Ärzten in der Nähe – trotzdem nicht mehr wirtschaftlich“, erzählt er. In den 2012 noch wirtschaftlichen Betrieben sei der Profit innerhalb von zehn Jahren auf Null gesunken.
Parallel dazu suchte der Apotheker aber nach einem neuen Standort und fand ihn 2024 in einem Facharztzentrum. Zusätzlich übernimmt er zum Jahreswechsel seine erste Apotheke in einem Center mit Supermarkt: Die ehemalige Leineweber Apotheke im Kaufland Sieker in Bielefeld. Und nun hat er einen weiteren Standort in einem anderen Center wiederbelebt: Die ehemalige Teutoburger Apotheke, jetzt Vivas-Apotheke im Kaufland Bielefeld-Mitte wurde Anfang des Monats nach einer umfangreichen Modernisierung neu eröffnet.
Die Apotheke in dem Center musste 2022 schließen. Damals standen Umbauarbeiten an. Für die Neueröffnung musste Stange auch eine neue Betriebserlaubnis beantragen. Ursprünglich sollten die Arbeiten 2023 bereits abgeschlossen sein, erzählt er. Und auch heute seien die Supermärkte noch nicht komplett im Betrieb: Zwar ist bereits ein Lidl geöffnet, Kaufland öffnet erst im Herbst erneut seine Türen.
Für Stange ist vor allem der Standort der Filiale entscheidend. „Es handelt sich um einen 1A-Standort“, erklärt er. Der Standort spielte auch bei seinen drei anderen Apotheken eine wichtige Rolle: Seine Hauptapotheke sei eine große Stadtteilapotheke mit vielen Arztpraxen in der Nähe. Seine erste Filiale, die Apotheke am Klinikum, liegt in einem Facharztzentrum. Die beiden neuesten Filialen befinden sich in großen Warenhäusern mit Supermärkten. „Anders ist es nicht mehr möglich“, erklärt er.
Aktuell beschäftigt Stange in seinen vier Apotheken insgesamt mehr als 70 Mitarbeitende. „Wir sind weiter auf der Suche“, erklärt er. Er brauche weitere Apotheker und PTA, beides sei ähnlich schwer zu bekommen. „Wir haben in Bielefeld und der Region keine einzige PTA-Schule.“ Die Region sei „ein weißer Fleck“ auf der Ausbildungskarte. Stange bemängelt, dass zu wenig gegen diesen Zustand unternommen werde. Es habe auch Bestrebungen gegeben, an der neuen medizinischen Fakultät in Bielefeld einen pharmazeutischen Lehrstuhl einzurichten, aber auch hier sei es schwierig. Er würde sich mehr Nachdruck wünschen.
„Wir Apotheken haben den Auftrag, die Versorgung zu sichern. Aber durch den Fachkräftemangel sind wir personell nicht mehr in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen“, kritisiert er.
Der Apotheker hat die Filiale rundum erneuert: die Klimatisierung, die Einrichtung des Warenlagers; er hat ein 24/7-Terminal eingebaut und einen großen Beratungsraum für Impfungen, pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) oder Anpassung von Kompressionsstrümpfen. Außerdem hat er für seine Vivas-Apotheken auch eine eigene E-Rezept-App. „Wir wollen uns modern aufstellen – mit klarem Leistungsversprechen und hoher Verfügbarkeit –, um zu zeigen, dass wir mehr können als der Versandhandel.“
Aktuell seien pDL leider personell kaum zu stemmen. In Universitätsstädten sei es seiner Erfahrung nach einfacher, pDL zu etablieren. Vor seiner Selbstständigkeit habe er teils in größeren Apotheken in Universitätsstädten mit Pharmaziestudiengang gearbeitet. Dort habe er erlebt, dass es einfach gewesen sei, pDL umzusetzen. Universitätsstädte hätten einen „Klebeeffekt“ und junge Absolventen hätten in der Regel mehr Lust, Leistungen wie pDL und Impfungen durchzuführen. Sein Ziel sei aber, sowohl pDL als auch Impfungen anzubieten.
Ob der Koalitionsvertrag die Apotheken stabilisieren kann, beantwortet der Inhaber mit „Jein“. Laut der Treuhand Hannover seien rund 30 Prozent der Apotheken gefährdet, weil sie wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sind. „Dass die Vergütung angepasst werden muss, ist unstrittig. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Erhöhung wird die steigenden Kosten aber nur abfedern. Die 30 Prozent gefährdeter Apotheken werden dadurch jedoch nicht vor der Schließung gerettet.“ Außerdem liege noch kein Referentenentwurf vor. Bis die Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag tatsächlich umgesetzt sind und in Kraft treten, werde es vermutlich noch dauern. „Wir steuern auf 12.000 bis 15.000 Apotheken zu“, schätzt Stange.
Dringend müssen neben der Vergütung auch die Themen Versandhandel und Arzneimittelpreisverordnung angegangen werden. „Wenn der Versandhandel nicht eingefangen wird, werden nennenswerte Umsätze im Rx-Bereich wegfallen“, warnt er. Das Rx-Geschäft ist schließlich das „Brot-und-Butter-Geschäft“ der Apotheker.
Auch die ausländischen Versender würden von einem höheren Fixum profitieren. „Das Thema muss politisch aus der juristischen Schusslinie genommen werden. Es kann nicht sein, dass Beitragsgelder ins Ausland abwandern und nicht dem Erhalt der flächendeckenden Versorgung in Deutschland dienen.“ Natürlich sei auch die überbordende Bürokratie ein Problem, sie koste Zeit, binde Mitarbeiter und verschärfe damit den Personalmangel weiter.
„Die Kosten laufen uns davon – insbesondere die gestiegenen Personalkosten sind ein großer Punkt. Die Margen sind teils so schlecht, dass man sich fragen muss, warum man das Ganze überhaupt noch macht“, erklärt er. „Und trotzdem: Ich glaube, dass es kein Land ohne Apotheken geben kann – ich jedenfalls kann es mir nicht vorstellen. Inwieweit das dann noch flächendeckend möglich ist, muss die Politik zeigen.“