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CO2-Zertifikate für die Apotheke

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Berlin -

Die Luft in den deutschen Apotheken wird endlich sauber. Der Muff zieht aus der in die Jahre gekommenen Offizin ab. Die Apotheke wird grüner als die Seele der Claudia Roth, das gotische Apotheken-A der Banner und der Apotheker der Schwertträger einer zutiefst sauberen Bewegung. Während VW am Pranger steht, schrottreife Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden und sich die CSU um die Reinheit der deutschen Kultur sorgt, wird die Plastiktüte aus der deutschen Apotheke verschwinden. Oder der Kunde soll dafür zahlen. Die Apotheke geht feinen Zeiten entgegen.

Plastikmüll gehört nicht nur in die gelbe Tonne oder in den gleichnamigen Sack, sondern gleich vermieden. Und deshalb ist die wegweisende Anordnung, der Plastiktüte in 2016 den Garaus zu machen und den Kunden für die Plastiklust löhnen zu lassen, ausschließlich löblich. Alleine in der deutschen Apotheke dürften hunderte Millionen von Tüten Jahr für Jahr den Weg ins Freie gefunden haben.

Nun wird der Kunde in der Regel nicht wünschen, dass sein Einkauf in alte Hefte der Umschau eingewickelt wird. Da ist halt noch ein Klassenunterschied zwischen Pommes oder Aal und dem Arzneimittel der Wahl. Indes: Eine Frage geht immer – wenn’s um Tüten geht, dann sicherlich nicht. Denn viele Apothekenteams fragen den Kunden erst gar nicht, ob er eine Tüte braucht. Und einige andere setzen längst auf Alternativen, die ökologisch okay sind. Jedenfalls scheint die Plastiktütenlobby demnächst in der Apotheken außen vor; Jute, Papier oder halt der gut vorsorgende Kunde mit eigener Tasche sind „in“, Plaste ist „out“. Passt zum Saubermann-Image der Apotheke.

Sauber sieht’s auch in der Apotheke von Florian Wehrenpfennig aus. Der Mann investierte sage und schreibe eine knappe Million Euro, um seine Apotheke nicht nur auf den neuesten Stand der Technik zu bringen, sondern mit allem Bims und Bums auszustatten, den die sich verschärft digitalisierende Branche zu bieten hat. Flatscreens in der Sichtwahl, Touchscreens am POS und dazu noch ein nagelneuer Automat. Der Mann mit der großen Centerapotheke will sich dem Druck der Straße – sprich: den Drogerien – erwehren und sendet das Signal, mit den Großen mithalten zu können.

Gar nicht mehr sauber sind hingegen die Retaxsüchtigen von der großen, immer richtig liegenden DAK. Eigentlich sollen ja Minimalstbeträge nicht zu einem Anstieg der Verwaltungskosten, zu purer Überlastung bei den retaxierten Apotheken und damit zu einem Verlust an Zeit für Kassen- und Apothekenkunden führen. Aber natürlich retaxiert die DAK sogar dann, wenn es nur um 1 Cent geht. Ganz sauber ist das nicht. Aber auch das dürfte der Kasse egal sein.

Egal sein sollte dem Arbeitgeber, also dem Apothekerleiter, was seine Angestellten drunter tragen. Zumindest dann, wenn drüber beispielsweise der Kittel getragen wird. PTA jedenfalls haben, ebenso wie allen anderen Angestellten, so ziemlich keinen Spielraum. Auch wenn die Kleiderordnung im Team besprochen und verabschiedet wird – Chef oder Chefin haben das letzte Wort. Und auch beim Piercing oder Totenkopftattoo scheiden sich die Geister.

Zwar nicht geschieden, aber ziemlich enttäuscht reagieren zuweilen Kunden, wenn das Geschenk nicht ganz so ausfällt wie gewünscht – oder gar vollends ausbleibt. Beim ziemlich schönen und insbesondere werthaltigen Vichy-Adventskalender haben sich einige Inhaber wohl etwas mehr Kulanz vom Kosmetikprofis erhofft. Doch die Ware ist heiß begehrt und ziemlich teuer obendrein. Da tut’s weder ein CO2-Zertifikat noch sonst irgendwas: Manchmal liegt man beim Schenken und Nichtschenken halt gewaltig daneben.

Deutlich daneben war auch die Aktion mit Namen „Vorteil 24“. Krude Komposition, befand nun sogar noch einmal der Bundesfinanzhof (BFH). Der meint, die Betreiber hätte jenseits anderer Interessen auch Steuern vermeiden wollen im Zusammenhang mit den Lieferungen. Verkappter Versandhandel, so das Urteil.

Mit Versandhändlern tut sich auch die Noweda schwer. Also jedenfalls dann, wenn es um Retouren geht. Mit Medikamente-per-Klick streitet sich die Genossenschaft aus Essen um einen Millionenbetrag. Vielleicht liegt das daran, dass Retouren grundsätzlich doof sind und irgendwie nicht gerade gut sind fürs CO2-Zertifikat. Kennen Apotheken von ihrem Großhändler des Vertrauens, wenn’s um Retouren geht.

Die Gehe hat derweil andere Probleme. Der Stuttgarter Großhändler braucht demnächst einen neuen Finanzchef: Der derzeitige Geschäftsführer geht. Beim Konkurrenten Alliance haben übrigens gleich alle 200 Mitarbeiter der Zentrale die Kartons gepackt – und sind gemeinsam nach nebenan gezogen. Das alte Gebäude soll verkauft werden: wegen der schlechten Ökobilanz. Und demnächst zieht die ABDA um und dann auch die Arzneimittelkommission. Für die Apotheken heißt das: Wenn überhaupt, dann steht ein Notfallhandy zur Verfügung. Wenn die AMK umzieht, werden die Probleme übersichtlich bleiben. Hofft man.

Keine Panik auf der Titanic. Jedenfalls rät dazu Kordula Schulz-Asche. Die Dame ist bei den Grünen, im Bundestag in der Opposition. Und bei den Impfstoffen und den Lieferengpässen meint die Gesundheitsexpertin, für Alarmismus besteht keine Veranlassung. Also wenigstens nicht, weil die Flüchtlinge zu viele Impfstoffe bräuchten. Im Kern hat die Grüne sicher recht. Nur was fehlte war ihre Idee, wie man für mehr Impfstoffe sorgt. Oder braucht’s das gar nicht?

Zum Impfen hat der unvermeidliche Professor Dr. Gerd Glaeske in dieser Woche nichts gesagt – dafür aber zur Beratung bei Schwindelgefühl. Diesmal im NDR. In Apotheken, so das Fazit, wird in Sachen Schwindel nicht gut beraten.

Hoffnung hilft auch bei manchen Versandapotheken. Die stirbt schließlich zuletzt. Also die Hoffnung, nicht die Versandapotheke. Aber einen Apotheker an die Strippe zu bekommen, das ist ganz schön schwierig. Da wachsen halt permanent die Umsätze. Keine Zeit für lästige Telefonate, mit Beratung und so. Hauptsache, die Kisten sind gepackt, der Füllstoff auch und ab geht das Päckchen. CO2-neutral versteht sich. Da kommt die Apotheke hierzulande dann auch noch hin. Ein schönes Wochenende.

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