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Staatsapotheken auf der Wettbewerbswiese

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Berlin -

Sie ist noch nicht gänzlich verloren, die Apotheke. Gerade in dieser Woche taten sich viele neue Pfade auf, wie die Offizin gerettet werden kann, insbesondere die in eher ruralen Gefilden. Einmal zwingen besorgte Bürger eine junge Pharmazeutin mit Unterschriften in die Pflicht, einmal ködert ein unermüdlicher Bürgermeister gleich Arzt und Apotheker. Und wenn nichts mehr hilft, hilft der Gesundheitsökonom: Landapotheken sollen von den Dörflern selbst subventioniert werden. Wettbewerb satt gibt es dann in den Apotheken-Drogerie-Ketten in der Stadt.

Die Griechen haben ihren strengen Diätplan verordnet bekommen. Auf dem stehen viele Dinge, die der Bevölkerung in Hellas richtig wehtun werden. Einige Reformen mögen überfällig sein, andere erscheinen überflüssig. Welchen Beitrag globale Apothekenkettenbetreiber zur Sanierung des Staatshaushalts beitragen sollen, muss erst noch erfragt werden. Am besten nicht bei der EU-Kommission, weil die bei dem Thema einen Spleen hat und für nicht zurechnungsfähig gelten darf.

Aber mal im Ernst: Die hohe Apothekenzahl in Griechenland lässt sich auch mit geringem intellektuellen Aufwand schon topografisch erklären. Jetzt sollen die Investoren ins Land gelassen werden. Und eigentlich müsste dann auch zunächst die Bedarfsplanung abgeschafft werden. Denn sonst hätten die EU-Behörden den Ketten Gelddruckmaschinen nach Athen und Thessaloniki gestellt. Könnte sein? Ja stimmt, das könnte das Ziel sein.

Die Apotheker hierzulande sollten dabei nicht vergessen, dass die Bundesregierung den Forderungen des Eurogipfels zugestimmt hat. Also auch der Kettenanordnung. Ein Sinneswandel der Großen Koalition, die sich doch so treuherzig zur inhabergeführten Apotheke bekannt hatte? „Iwo“, beruhigt eine Regierungssprecherin: Ketten sind nicht für alle gut. In Griechenland helfen sie, hier würden sie schaden.

Was aber natürlich niemanden, der BWL oder VWL studiert hat, davon abhält, das Kettenthema auch bei uns auf die Tagesordnung zu setzen. Soll irgendwo liberalisiert werden, ist auch hier reflexartig wieder von „alten Zöpfen“, „unberechtigten Privilegien“ oder gar von der „Wettbewerbswiese“ die Rede. Da kann man nichts gegen machen, das sind kommunizierende Röhren.

Diesmal ist es Professor Dr. Christian Hagist von der renommierten Wirtschaftsuni WHU, der das Fremd- und Mehrbesitzverbot für überflüssig hält. Spannend sind seine Ideen für die Landapotheken. Weil sich der vernünftige Markt um so etwas wie Versorgung nicht kümmern kann, soll das der Staat übernehmen. Am liebsten mit lokalen Steuern. Subvention heißt ja auch „von unten kommend“. Willkommen also in der sozialen Marktwirtschaft.

Zusammengefasst: Wenn jedes Kaff meint, eine Apotheke haben zu müssen, soll es sich halt eine kaufen. Was das wohl für das Verhältnis der Landbevölkerung zum dann quasi staatsangestellten Apotheker bedeutet?

Ebenfalls vollkommen übertrieben ist aus Sicht der Gesundheitsökonomie seit jeher die Apothekenpflicht für OTC-Produkte. Paracetamol im Supermarkt – kein Problem. Wer lesen kann (in diesem Fall den Beipackzettel), ist klar im Vorteil. Wer zwei OTC kauft und unerwartet eine unerwünschte Nebenwirkung zeitigt, ist klar im Nachteil. Aber so kleinlich darf man auf der Wettbewerbswiese nicht sein, sonst wird man gleich gefressen.

Alles wird den Supermärkten und ihren Kunden aber dann doch nicht zugetraut: Verschreibungspflichtige Arzneimittel soll es auch weiterhin ausschließlich in Apotheken geben. Die Frage ist nur: Immer und ausschließlich mit Rezept?

Der Bundesgerichtshof (BGH) sagt: Ja! Doch ein Drittel der Apotheker gibt offen zu, schon einmal eine Ausnahme zu machen, wenn der Kunde sehr vertraut ist und/oder das gewünschte Rx-Präparat aus der eigenen pharmazeutischen Perspektive medizinisch indiziert scheint. Ein täglicher Drahtseilakt – realitätsnahe Versorgung und rechtliche Abgründe. In diesem Graubereich muss jeder Apotheker für sich Farbe bekennen.

Das hat auch Bürgermeister Friedrich Wörrlein getan. Er wollte es partout nicht akzeptieren, dass es in seinem Dorf Dentlein am Forst keinen Arzt mehr geben sollte. Also baute die Gemeinde kurzerhand eine Praxis und Wörrlein telefonierte sich die Finger wund, bis er den Papst persönlich an der Strippe hatte. Korrekterweise: den Pabst, Jörg Pabst, einen Vorzeige-Landarzt, wie ihn das ZDF sicherlich sofort wegcasten würde.

Von dem Erfolg beflügelt, verpflichtete Wörrlein jetzt noch einen Apotheker und baute für ihn auch die Apotheke. Dr. Stefan Spaniel richtet gerade die Filiale ein und alle sind happy. Vor allem die Dentleiner. Und jetzt sind mal die Gesundheitsökonomen eingeladen, sich den Fall genauer anzuschauen.

Dass traurige Gegenbeispiel fand Anfang des Monats im bayerischen Rhön statt. Zum 1. Juli musste Ralf Brauer seine Rhön-Apotheke schließen – er hatte für die Filiale keinen Nachfolger gefunden. Auch hier hätte der Bürgermeister gerne geholfen und wenigstens einen Halbtagsbetrieb ermöglicht. Aber das sieht das Gesetz nicht vor, was eine kleine Debatte über den Sinn des Gesetzes ausgelöst hat.

Einen Nachfolger gefunden hat dagegen Philipp Heift. Der Chef der Deutschen Internet Apotheke übergibt sein Versandgeschäft an den unter Kollegen bestens bekannten Apotheker Tobias Loder. Die beiden kennen sich schon lange und Heift will gehen, bevor er den richtigen Zeitpunkt verpasst. An Rente der 59-Jährige aber mitnichten: Er will mit Muxx.tv etwas ganz neues anfangen. Eine Plattform für Musikvideos statt Arzneiversand, das ist mal eine kreative Karriereplanung.

Weil es nicht jeder Apotheker bei der Nachfolgersuche so leicht hat wie Heift, gibt es selbst im Apothekenmarkt Headhunter, Kopfgeldjäger für talentierte Pharmazeuten und wechselwillige Filialleiter. Doch Obacht: In dieser Branche sind schwarze Schafe keine Exoten, wie eine Apothekerin schmerzhaft erfahren musste.

Eine bittere Erkenntnis reift auch in den Finanzämtern des Landes heran: Hinter dem HV-Tisch stehen doch nicht nur Steuerhinterzieher und nicht jeder USB-Stick ist ein Zapper. Etwas zerknirscht müssen die Dienstherren der Scharen von Apotheken-geschulten Betriebsprüfern zugeben, dass es richtige „Knallerfälle“ in Apotheken zuletzt gar nicht mehr gab.

Und nochmal Versandapotheken: Nachdem sich Apotal die Versorgung der Profikicker von Borussia Dortmund unter den Nagel gerissen hat, schlägt Eurapon bei Werder Bremen zu. Bandenwerbung gibt es auch, aber nur, wenn die Fernsehkameras aus sind, weil es sonst zu teuer geworden wäre.

Teuer zu stehen kommt Apotheker Heinz Jürgen Schäfer der Ärger mit seinem Vermieter. Weil er für einen Bruchteil der Miete eine größere Fläche direkt nebenan beziehen konnte, zog er mit seiner Apotheke um. Wollte er jedenfalls. Doch die Axa erlaubte ihm wegen einer Klausel im Mietvertrag nicht, die alte Apotheke zu schließen und akzeptierte auch das Sanitätshaus als Nachmieter nicht. Jetzt hat Schäfer zwei Apotheken direkt nebeneinander. Dass das ökonomisch betrachtet nicht die beste Lösung ist, wissen sogar wir Nichtprofessoren. Es gibt also auch gute Apothekenschließungen. Und damit Schluss für heute.

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