Pharmahandelskonzerne

Walgreens: Die Angst vor Pessina

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Berlin -

Unter den Aktionären der US-Apothekenkette Walgreens regt sich Widerstand gegen die Übernahme von Alliance Boots. Nicht der amerikanische Konzern könnte künftig beim europäischen Pharmahändler das Sagen haben – sondern umgekehrt, so die Befürchtung. Eine Gruppe institutioneller Anleger hat sich vorgenommen, ein Gegengewicht zum neuen Großaktionär Stefano Pessina aufzubauen. Bislang allerdings ohne Erfolg.

Erst umarmen, dann einverleiben: So funktioniert das „Prinzip Pessina“. Wann immer sein Unternehmen für die Übernahme eines Konkurrenten zu klein war, schloss der italienische Nuklearingenieur Allianzen – die Macht übernahm er hinterher. So geschehen bei Alliance Santé, Alliance UniChem und Alliance Boots. Jetzt schickt sich der Italiener an, mit Boots/Walgreens plus AmerisourceBergen einen globalen Apothekenkonzern nach seinen Vorstellungen zu formen.

Bei der US-Apothekenkette hält Pessina derzeit 8 Prozent der Aktien, im kommenden Jahr werden sich seine Anteile aller Voraussicht nach verdoppeln. Walgreens hatte im Sommer 2012 zunächst 45 Prozent der Anteile an Alliance Boots übernommen, für den Rest wurde eine Option vereinbart, über die die Walgreens-Aktionäre 2015 entscheiden müssen.

Auch wenn der Italiener mit seinen Stimmrechten keine Entscheidungen im Alleingang treffen kann, so ist er doch der mit Abstand größte Aktionär. Der Rest der Aktien befindet sich komplett in Streubesitz.

Zu den Kleinaktionären gehören mehrere gewerkschaftsnahe Pensionsfonds, die zusammen Vermögenswerte von 250 Milliarden US-Dollar verwalten und sich in der CtW Investment Group zusammengeschlossen haben. Ziel des Gemeinschaftsprojekts ist es, durch „aktive Eigentümerschaft“ die Rendite der Beteiligungen in ihrem Portfolio zu steigern.

Pessinas Strategie ist ihnen nicht verborgen geblieben. Sie fürchten, dass der Italiener einen „unzulässigen Einfluss“ auf die weitere Entwicklung von Walgreens nehmen könnte. In einem Brief an die Aktionäre kritisiert CtW-Chef Dieter Waizenegger die plötzliche Konzentration auf der Eigentümerseite und die dramatische Veränderung in der Konzernführung.

In dem Schreiben verweist Waizenegger auf die Erfahrungen nach der Fusion von Alliance UniChem und Boots im Jahr 2006 und der Übernahme durch Pessina und KKR nur ein Jahr später: „Am Ende war Pessina in der Lage, das Management auszutauschen und seine eigene Agenda zu verfolgen.“

Schon jetzt fühlen sich die Kleinaktionäre „entrechtet“ und bei der Übernahme von Alliance Boots vom Management „vor vollendete Tatsachen gestellt“. Nachdem sie beim ersten Schritt überhaupt keine Mitsprache hatten, könnten sie die Komplettübernahme nur noch abnicken. Denn die Integration beider Konzerne sei bereits fortgeschritten und eigentlich nicht mehr rückgängig zu machen sei, so Waizenegger.

Dabei hat der Vertreter der Pensionsfonds grundsätzliche Bedenken gegen die „dramatische und potenziell risikoreiche Transformation“ des Konzerns: Aus einem einheimischen Einzelhändler werde ein weltumspannendes Konglomerat mit unterschiedlichen Geschäftszweigen.

Außerdem setze sich Walgreens den ökonomischen Problemen in Europa aus, anstatt sich den Herausforderungen auf dem heimischen Markt zu stellen, etwa dem Debakel mit dem Pharmacy Benefit Manager Express Scripts vor zwei Jahren, das Walgreens vier Milliarden Dollar gekostet habe.

Da Pessina und sein bisheriger Finanzpartner KKR schon je einen Platz im Vorstand bekommen haben, wollen die Pensionsfonds ein Gegengewicht schaffen: Aktionäre, die mehr als 3 Prozent halten und seit mehr als drei Jahren dabei sind, sollen nach dem Vorschlag künftig einen Vertreter in die Konzernspitze entsenden können.

Bislang entscheidet alleine das Management, wen die Aktionäre wählen dürfen. Schon seit längerem gibt es in den USA eine Debatte, ob solche Regelungen noch zeitgemäß und im Interesse der Anteilseigner sind.

Bei der Hauptversammlung in Chicago fand der Vorschlag allerdings keine Mehrheit: Nach vorläufigen Zahlen stimmten 43 Prozent der anwesenden Aktionäre für den Antrag. Pessina dürfte aber klar sein, dass ihm nach der Rückkehr an die Börse jetzt wieder auf die Finger geschaut wird.

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