Entscheidung zu Rx-Boni

Preisbindung: Doppeltes Finale am BGH

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Berlin -

In Karlsruhe entscheidet sich in diesen Tagen, ob die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel weiter Bestand hat oder nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) wird gleich in zwei Verfahren darüber befinden, ob ausländische Versender Rx-Boni gewähren dürfen. In beiden Fällen geht es um DocMorris.

Am morgigen Donnerstag verkündet der BGH seine Entscheidung im Zusammenhang mit einer Klage des Bayerischen Apothekerverbandes (BAV) gegen DocMorris beziehungsweise die Tochterfirma Taminis. Es ging um Boni aus dem Jahr 2012, doch das Verfahren bietet eigentlich die Chance, die Sache vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) neu aufrollen zu lassen.

Denn das Oberlandesgericht München (OLG) hatte im vergangenen Jahr auf 64 Seiten akribisch zusammengetragen, warum die Rx-Preisbindung dem Schutz der Gesundheit dient und nicht gegen Europarecht verstößt. Zum Verfahren gab es laut den Prozessbeteiligten vier hohe Stapel an Akten, vor allem aber auch eine Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2021.

Senat war skeptisch

Doch der Senat ließ in der mündlichen Verhandlung im Mai durchblicken, dass „harte Fakten“ fehlten, um die gesetzliche Einschränkung zu rechtfertigen: Zur Rechtfertigung müsse substantiiert dargelegt werden, warum die Regelung geeignet und angemessen sei, um die Gesundheit und die flächendeckende Versorgung zu sichern. Das OLG habe zwar ein „sehr ausführliches und eingehendes Urteil“ vorgelegt. Aber der EuGH habe schon 2016 klar gemacht, dass er nur Nachweise mit statistischen Daten oder anderen Mitteln, die in ihrer Aussagekraft vergleichbar seien, anerkenne. „Es müssen also harte Fakten auf den Tisch. Eine bloße Stichhaltigkeitsprüfung reicht nicht, die Beweise selbst müssen stichhaltig sein.“

Dass der BGH die Sache also zur neuen Prüfung in Luxemburg vorlegt, ist nach dem regelrechten Kreuzverhör nicht sehr wahrscheinlich. Auch der Verweis zurück ans OLG, wie ihn der Vertreter des BAV regelrecht erbeten hatte, ist nicht zu erwarten: „Was soll da noch kommen? Aus unserer Sicht ist alles thematisiert worden“, hatte der Vorsitzende Richter erklärt. So könnte der BGH also entscheiden – für oder gegen den BAV und damit für oder gegen die Preisbindung im grenzüberschreitenden Versandhandel.

Showdown zu Schadenersatz

Zwei Wochen später soll am 30. Juli ein Urteil in einem Prozess verkündet werden, in dem es um Schadenersatzforderungen des Versenders gegenüber der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) geht. Streitig waren im konkreten Fall Werbeaktionen von DocMorris, gegen die die AKNR erfolgreich vorgegangen war, die nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Boni aus dem Jahr 2016 aber laut Versender zu unrecht untersagt worden waren. Der Versender forderte daher Schadenersatz in Höhe von 18,5 Millionen Euro.

Ob die Kammer tatsächlich zu einer Zahlung verurteilt wird, ist nicht ausgemacht. Der Fall lag schon beim EuGH, der gleich mehrere der streitigen Themen vom Tisch räumte. Demnach sind Rx-Boni von Versandapotheken nämlich schon als Werbung für rezeptpflichtige Medikamente nach EU-Recht unzulässig, jedenfalls sofern es sich um Gutscheine für nachfolgende Käufe handelt.

Auch die deutschen Vorschriften, die auch Geldprämien und Barrabatte verbieten, verstoßen unter Umständen nicht gegen EU-Recht. Laut § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist es dem Grunde nach verboten, „Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren“ – insbesondere „soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes oder des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten“.

Nach dem EuGH-Urteil können die Richter vielleicht auf § 7 HWG verweisen. Allerdings könnte es gut sein, dass die Versender weiterhin die Zuzahlung erlassen dürfen. Shop Apotheke hatte seinen Bonus zuletzt auf einen solchen Sofortrabatt, dessen Restwert verfällt, umgestellt.

So oder so wird sich in einem der beiden Verfahren zeigen, ob die Preisbindung als Instrument zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung aus Sicht des BGH noch eine Chance hat. Falls nicht, dürfte es deutlich schwerer fallen, zu argumentieren. Vielleicht könnte man sie noch mit der Steuerungswirkung der Eigenbeteiligung rechtfertigen, darauf wurde bislang nicht eingegangen. Aber das würde ganz neue Verfahren erfordern. Erst einmal sind alle Augen nach Karlsruhe gerichtet.

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