Stichtag 10.09.2020

AvP-Anfechtung: Darum sollen die Apotheken zahlen

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Berlin -

Für die betroffenen Apotheken war die Neuigkeit ein Schock: AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos wird Auszahlungen anfechten, die in den letzten Tagen vor der Insolvenz getätigt wurden. Nach derzeitigem Stand ist der 10. September 2020 der entscheidende Stichtag, bis zu dem die Apotheken in Sicherheit sind.

Für die von der Insolvenz des Rechenzentrums betroffenen Apotheken ist das Gezerre um die Zahlungen ohnehin unverständlich. Aus ihrer Sicht steht ihnen das Geld aus der erfolgten Rezeptabrechnung zu. Doch Aussonderungsansprüche wurden bislang nur einigen wenigen Apotheken zugestanden, die mit AvP gesonderte Abtretungsvereinbarungen geschlossen hatten. Immerhin soll es für die anderen Geschädigten nun einen Vergleich, gekoppelt mit einer vorzeitigen Teilausschüttung, geben.

Auf den ersten Blick mehr Glück hatten jene rund 800 Apotheken, an die der damalige AvP-Chef Matthias Wettstein in den letzten Tagen vor der Insolvenz anscheinend eigenhändig noch Zahlungen beauftragt hat. Genau diese Gelder werden aber nun von Hoos zurückgefordert.

Das will sich den betroffenen Apotheken erst recht nicht erschließen. Denn es stimmt zwar, dass ein Gläubiger keine Zahlungen mehr aktiv einfordern darf, wenn er von einer drohenden Insolvenz weiß. Aber im Fall AvP hatte Wettstein persönlich bis zuletzt beschwichtigt und auf vermeintliche technische Probleme verwiesen.

Entscheidend ist hier aber laut Insolvenzexperten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die hatte nämlich bereits am 10. September 2020, einem Donnerstag, einen Zahlungsstopp verfügt. Damit waren die an Apotheken an den Folgetagen geleisteten Zahlungen mutmaßlich unzulässig, AvP hätte nicht mehr leisten dürfen, auf die Kenntnis des Empfängers kommt es dann nicht mehr an.

BaFin-Bescheid blockt Auszahlungen

Auf diese Argumentation dürfte sich Insolvenzverwalter Hoos in seiner Anfechtung stützen. Die betroffenen Apotheken sollen hierzu zeitnah informiert werden. Bislang hat er angekündigt, nur mit einzelnen Apotheken Verfahren über die Anfechtung zu führen. Einerseits um den Aufwand für alle gering zu halten, andererseits vermutlich auch, weil die AvP-Konstellation nun einmal sehr speziell ist und die Gerichte auch zugunsten der Apotheken entscheiden könnten.

Steuerberater Torsten Feiertag vertritt einige von den AvP-Insolvenz betroffene Apotheken. Für diese habe sich die Meldung über die Anfechtung „wie eine Nullretaxtion“ angefühlt. „Patienten wurden mit Medikamenten versorgt, aber Geld für die erbrachte Leistung/Lieferung kommt nicht. Ich verstehe nach wie vor nicht, wie man einen Berufsstand so vorführen kann“, schreibt er an Hoos. Feiertag macht dem Insolvenzverwalter persönlich keinen Vorwurf, sondern sieht eher ein „politisches Debakel“.

Hoos kann zwar den Frust der Betroffenen verstehen, macht aber darauf aufmerksam, „dass das Recht der Insolvenzanfechtung nicht disponibel ist und gerade dazu dient, alle Gläubiger gleichzubehandeln“. Insofern möge die Maßnahme unterschiedlich bewertet werden. Denn es gib nicht nur Apotheken, die zufällig am 11. September noch Geld erhalten haben, sondern eine weitaus größere Zahl, die von einer möglichen Anfechtung und Rückzahlung profitieren würde. Unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit sehen sogar einige jetzt spät betroffene Inhaber:innen das so: Eine insgesamt etwas höhere Quote aus der Insolvenzmasse für alle ist gerechter als eine Verschiebung zulasten einer zufällig entstandenen Gruppe.

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