Arzneimittel-Automat

DocMorris: Der eigene Strohmann

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Berlin -

In Mosbach wird nach wie vor über den Arzneimittel-Automaten von DocMorris gestritten. Zwar musste die Versandapotheke schon nach der ersten einstweiligen Verfügung auch die Abgabe von OTC-Medikamenten am Terminal in Hüffenhardt einstellen. Doch der Landesapothekerverband (LAV) blieb hartnäckig und will auch den Zwischenmieter wegen Beihilfe belangen.

Im ersten Prozess vor dem Landgericht Mosbach (LG) hatten die Vertreter von DocMorris zu Protokoll gegeben, dass die Versandapotheke nicht Mieter der Betriebsräume ist, sondern die Tochterfirma Tanimis. Auch das Lager gehöre nicht DocMorris, sondern einem beliefernden deutschen Großhändler. Der Eigentumsübergang finde erst im Moment des Etikettierens kurz vor der Abgabe statt.

Da Tanimis offenbar die gesamte Infrastruktur gehört, spricht aus Sicht des LAV viel dafür, dass die Tochterfirma ebenfalls auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen ist. Immerhin hatte nicht DocMorris, sondern das ebenfalls in Heerlen ansässige Unternehmen die Lagerung der Arzneimittel gegenüber dem Regierungspräsidium angezeigt.

LAV-Anwalt Dr. Timo Kieser von der Stuttgarter Kanzlei Oppenländer wollte nach dem ersten Verhandlungstermin auf Nummer Sicher gehen und beantragte auch gegen Tanimis eine einstweilige Verfügung. Schließlich wusste man damals noch nicht, ob DocMorris mit seiner Argumentation durchkommen würde. Gestern wurde in Mosbach verhandelt, wesentliche neue Erkenntnisse gab es nicht. Ende Juli soll hier das Urteil verkündet werden.

Alleine der Umstand, dass die Arzneimittel über ein Videoterminal angefordert würden, mache deren Abgabe nicht zur einer Bestellung über den Versandhandel, argumentierte das LG im ersten Urteil. Denn beim Versandhandel sei sich der Kunde bewusst, dass er einige Zeit auf den Erhalt des Bestellten warten müsse. Der Kunde, der die Medikamentenausgabestelle in Hüffenhardt aufsuche, beabsichtige dagegen, das Medikament, wie bei einer zugelassenen Präsenzapotheke, unmittelbar nach dem Bestellvorgang direkt zu erhalten, weil er davon ausgehe, dass es dort bereitgehalten werde.

Außerdem sei, wie bei einer Präsenzapotheke, der Kundenkreis der Abgabestelle in Hüffenhardt örtlich eingeschränkt, während den Versandhandel die regelmäßig jedermann zur Verfügung stehende Bestellmöglichkeit auszeichne. Laut Gericht verstoßen die Abläufe auch gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) und der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Nach den hier maßgeblichen Vorschriften sei der Apotheker verpflichtet, bei Unklarheiten die Verschreibung vor der Abgabe des Arzneimittels zu ändern, dies auf der Verschreibung zu vermerken und zu unterschreiben.

Weiterhin müssten jeder Verschreibung neben bestimmten Angaben das handschriftliche Namenszeichen des Apothekers oder des sonst befugt handelnden pharmazeutischen Personals hinzugefügt werden. Das Leisten einer solchen Unterschrift sei vor der Abgabe eines Medikaments durch den Medikamentenausgabeautomaten nicht möglich.

DocMorris hatte am 19. April in der baden-württembergischen Gemeinde seinen Abgabeautomaten eröffnet. Zwar ließ das Regierungspräsidium Karlsruhe das Terminal nach nur 48 Stunden wieder schließen, doch die Klage der Versandapotheke gegen den Bescheid hatte aufschiebende Wirkung bezüglich der OTC-Abgabe.

Im wettbewerbsrechtlichen Verfahren hatte nicht nur der LAV mit Erfolg geklagt, sondern auch drei Apotheker, die von der Noweda unterstützt werden. Obwohl deren Apotheken im Umkreis von 7 bis 15 Kilometern angesiedelt sind und eine Apotheke mit einer Rezeptsammelstelle sogar in Hüffenhardt vor Ort ist, wollte DocMorris von einer Konkurrenzsituation nichts wissen: Beim Gerichtstermin behaupteten die Vertreter, dass es einem Wettbewerbsverhältnis fehle. Mit dem Verweis auf die lokale Präsenz in Hüffenhardt argumentierten die DocMorris-Anwälte selbst gegen die Behauptung, es handele sich um eine Spielart des Versandhandels. Die Richterin gab den Apothekern recht.

Erik Tenberken, Inhaber der Versandapotheke Fliegende-pillen.de war gegen das Terminal im Alleingang vorgegangen, das Urteil wird in der kommenden Woche verkündet. Die Verfahren werden vermutlich ins Hauptsacheverfahren gehen, parallel läuft der verwaltungsrechtliche Streit mit dem Regierungspräsidium. Hier hatte DocMorris vor Kurzem einen Eilantrag auf Freigabe der Rx-Abgabe zurückgenommen.

Bei dem Streit in Baden-Württemberg geht es um nicht weniger als den Komplettumbruch des deutschen Apothekenmarktes. Wenn das Modell durchkommt, könnten genauso gut Mitarbeiter eines Drogeriemarkts oder Discounters als „menschliche Maschinen“ die Ware aus dem Lager holen und der pharmazeutischen Kontaktperson am Videobildschirm zur Kontrolle vorlegen. Auch der Apothekenbus könnte in einem solchen Szenario wieder aus der Garage gefahren werden.

Die Apothekenpflicht wäre dann nur noch Makulatur – dann ginge es nicht mehr um Fragen wie „Eindruck einer Apotheke“, „ordnungsgemäße Versorgung“ oder „Betriebserlaubnis“. Die Apothekenbetriebsordnung würde komplett in den virtuellen Raum verlagert, in irgendeinem Rechenzentrum der Telekom verpuffen. Eine einzige Offizin an der deutsch-holländischen Grenze würde ausreichen, um flächendeckend – im ersten Schritt! – apothekenpflichtige Medikamente verkaufen zu können.

Das Fremdbesitzverbot hätte in einem solchen Szenario natürlich auch ausgedient. Wenn der angestellte Apotheker einer niederländischen Kapitalgesellschaft per Videoschaltung Medikamente zwischen Toilettenpapier und Kloreiniger freigeben darf, dann braucht es auch keine inhabergeführten Apotheken mehr.

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