Fehlende E-Rezepte auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) bereiten Apotheken deutlich mehr Arbeit – die am Ende nicht bezahlt ist. Eine Inhaberin aus Rheinland-Pfalz erlebt diese „leeren Kunden“ mitunter 30 Mal pro Tag. Sie erhebt schwere Vorwürfe gegenüber Arztpraxen. Gerade wegen der angespannten Personalsituation sei die Lage besonders schwierig.
Täglich steht in der Apotheke von Bärbel Mittermann* die Suche nach E-Rezepten an. „Ich nenne es Leerarbeitszeit, denn es ist ein ‚leerer Kunde‘“, erklärt sie. Seit Kurzem muss sie wieder mehr im Handverkauf mit anpacken, da sie Personal verloren hat. Wenn dann die Beratung von fehlenden Verordnungen mehrere Minuten Zeit in Anspruch nimmt, platzt ihr der Kragen. Denn leider komme dies mehrmals täglich vor.
„Bis vor Kurzem war es so, dass bei einem Check-Fenster stand, null Rezepte.“ Nach einem Update ihrer Software gehe mittlerweile ein Fenster auf, in dem extra angezeigt werde, dass die Karte keine Rezepte gespeichert hat. Dann begännen die Nachforschungen, denn die Kundin oder den Kunden einfach wegzuschicken, sei keine Option. „Es gibt im Ort bei uns zuverlässige und unzuverlässige Ärzte, deshalb frage ich, wann und bei welchem Arzt der Kunde war.“ Namentlich will sie wegen der eigenen Abhängigkeit von den Praxen lieber nicht genannt werden.
Zunächst müsse die Situation geprüft werden, um der Kundin oder dem Kunden eine Information geben zu können. Vielleicht laufe es beim nächsten Mal besser ab und ein Rezept sei auf der Karte vorhanden, hofft sie. „Es folgt mein geübter Blick auf die Rückseite der Karte nach dem Gültigkeitszeitraum.“ Denn es sei bereits vorgekommen, dass „alte Karten“ abgelaufen waren oder kurz vor Ablauf standen und neue Karten bereits vorhanden waren. „Da waren die E-Rezepte auf die neue Karte gespeichert, den Grund dafür kenne ich noch nicht.“
Es könne jedoch auch sein, dass der Chip verschmiert sei. „Ich wische also darüber und stecke neu.“ Mitunter betone die Kundschaft, in der Praxis habe man versichert, das Rezept befinde sich auf der Karte. „Ich will dann nicht in eine Diskussion geraten. Deshalb gehe ich an ein anderes Lesegerät eines anderen Herstellers und stecke sicherheitshalber erneut.“ Es gebe Karten, die nicht von den gängigen Cherry-Geräten gelesen würden, beim Stecken in ein Ingenico-Gerät seien die Verordnungen dann aber sichtbar.
„Also nochmal ein Weg, um die Karte zu prüfen.“ Wenn das alles getestet und kein E-Rezepte gefunden sei, werde empfohlen, nochmals die Ärztin oder den Arzt zu kontaktieren, um das Rezept zeitnah freizuschalten. „Das ist alles sehr mühsam, da ist man zwei bis drei Minuten am Machen und das 15 bis 30 Mal am Tag.“ Zu dieser „Leerarbeitszeit“ komme hinzu, dass die Gründe immer wieder neu erklärt werden müssten, gerade die Älteren verstünden es nicht.
Die Rückmeldung der Ärzteschaft sei mitunter harsch. „Sie verweisen auf bestimmte Freischaltzeiten für E-Rezepte und danach hätten sich alle zu richten. Ich kann aber als Apothekerin nicht nachvollziehen, was in der Praxis gesagt wurde und wann der Kunde tatsächlich bei mir aufschlägt. Das ist alles Schrott.“
Im Haus gebe es eine Praxis. „Wenn ich da die Kunden hoch schicke, weil das E-Rezept nach Tagen noch nicht auf der Karte ist, kommen die mit Papierrezepten runter.“ Die Organisationsstruktur in den Arztpraxen sei in 80 Prozent der Fälle katastrophal. Dazu komme, dass es dort „keinen interessiert“.
Denn die Hausärzte hätten eine Vormachtstellung. „Die sagen, es gibt ohnehin zu wenig Haus- und Fachärzte. Da kann sich der Patient auf den Kopf stellen, er kann eh nicht woanders hingehen. Das ist meines Erachtens nach die Denke der Ärzte. Man ist auf sie angewiesen. Es wird sich auch nichts an den Abläufen ändern, die Ärzte stehen nicht im Wettbewerb wie die Apotheken.“ Denn wenn es da nicht funktioniere, gehe man in eine andere.
Die Situation sei „schrecklich nervig“. Dazu kämen die anderen Probleme in Praxen wie falsche Rezeptangaben, die die Apotheken ausbaden müssten. „Das geht einher mit ungeschulten Angestellten. Die Situation ist gruselig. Es gibt massive Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Verordnern.“
* Name von der Redaktion geändert