Das Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG) von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat heute das Kabinett passiert. Bis zuletzt war nicht abzusehen, ob die regierungsinterne Abstimmung noch rechtzeitig gelingt. Denn vor allem aus der Apothekerschaft hatte es massive Kritik gegeben. Warken verweist darauf, dass man in vielen Punkten nachgebessert habe.
Mit den Neuregelungen wolle man unter anderem Bürokratie abbauen. So solle künftig beispielsweise auch ein vorrätiges Arzneimittel abgegeben werden dürfen, wenn das eigentlich rabattierte Medikament nicht verfügbar sei. Dies sei aktuell noch ein sehr aufwendiger Prozess und ein Punkt, „den wir eben immer wieder auch aus der Apothekerschaft an uns herangetragen bekommen haben“, erklärte Warken.
„Für viele Menschen sind Apotheken jetzt schon die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen und genau diese Kontakte wollen wir künftig mehr nutzen“, so die Ministerin. Zusätzlich zu dem, was man jetzt schon anbieten könne, sollten weitere niedrigschwellige Angebote für Patientinnen und Patienten hinzukommen. Dabei gehe es keinesfalls um „komplexe Diagnosen oder das Ersetzen einer ärztlichen Begutachtung“, betonte Warken.
„Wir wollen aber die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker nutzen, zum Beispiel bei der Beratung, bei der Bewertung von Risikofaktoren. Dies betrifft gerade auch Erkrankungen wie Diabetes; die Prävention von Krankheiten wollen wir dadurch stärken“, so die Ministerin. Auch Schnelltests sollen Apotheken künftig durchführen dürfen. „Das hat sich in der Pandemie schon bewährt und kann dann gerade auch bei Infektionsfällen für eine Entlastung von Arztpraxen sorgen.“ Viel Potenzial sehe die Ministerin zudem in der Ausweitung der Impferlaubnis.
Künftig sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Vorliegen eines Rezepts abgegeben werden können – etwa bei einer Langzeitmedikation, wenn die lückenlose Einnahme nicht sichergestellt sei. Auch bei unkomplizierten Erkrankungen sollen Rx-Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung bei akuten, unkritischen Formen definiert abgegeben werden können. Welche Medikationen hierfür infrage kämen, werde unter Einbindung der Arzneimittelkommissionen der Ärzte und Apotheker festgelegt.
Von dieser Möglichkeit würden Arzneimittel mit Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial sowie systemische Antibiotika ausgeschlossen. „Das war auch ein Punkt, zu dem wir mit der Apothekerschaft und in der Ärzteschaft auch länger diskutiert haben“, so Warken. Die Einbindung der Apotheker in die Versorgung sei ein weiterer Baustein, um die Gesundheitsversorgung auf mehr Schultern zu verteilen, sie zukunftsfester zu machen und die Prävention zu stärken.
Das Gesetz beinhalte zudem eine Proberegelung, die es erfahrenen PTA unter bestimmten Voraussetzungen gestatte, für bis zu 20 Tage im Jahr die Vertretung einer Apothekenleitung zu übernehmen. „Dazu bedarf es dann einer Genehmigung der zuständigen Behörde“, erklärte Warken.
Parallel zum Gesetzentwurf solle eine Verordnung kommen, damit beide Teile gemeinsam im Paket beschlossen werden könnten. Darin seien Skonti sowie die Verhandlungslösung geregelt. Zum Thema Honorar äußerte sich Warken deutlich: „Mir ist bewusst, dass die Apotheken seit 2013 auf eine Erhöhung des sogenannten Packungsfixums warten. Die politische Zusage ist im Koalitionsvertrag verankert und ich stehe auch dahinter. Gleichzeitig gehört es zur Wahrheit dazu, dass die Erhöhung mit Mehrausgaben von rund einer Milliarde Euro verbunden wäre und der Spielraum ist zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht vorhanden.“
Das Fixum werde aber im kommenden Jahr erneut auf die Tagesordnung kommen, versprach die Ministerin. Auf die Frage, wie das angesichts des weitaus größeren prognostizierten Defizits im kommenden Jahr gelingen soll, verwies die Ministerin auf ihre Finanzkommission: „Die GKV-Kommission, die Ende März Vorschläge zur Verbesserung der Finanzsituation der Krankenkassen vorlegen wird, weiß auch, was im Koalitionsvertrag steht und dass dieser Punkt umgesetzt werden soll. Daher ist es das Ziel und der Plan, die Honorarerhöhung gemeinsam mit den geplanten Sparmaßnahmen einzupreisen.“
Auf die Frage, wieso sie den Entwurf durchbekommen habe, der unter der Führung ihres Vorgängers Karl Lauterbach (SPD) entwickelt und unter anderem von der Union massiv kritisiert worden war, antwortete Warken: „Ich sehe, dass wir den Entwurf an einigen Stellen geändert haben, dass wir natürlich viele Dinge aufgenommen haben, die schon lange gewünscht sind von den Apothekerinnen und Apothekern.“
Man habe Maßnahmen aufgenommen, mit denen erreicht werden solle, dass die Apotheken künftig eine noch stärkere Rolle in der Gesundheitsversorgung spielten. Die Maßnahmen lägen auf der Hand, wenn man die Apotheken im Bereich Prävention besser einbinden wolle.
„Wir haben im Kabinett eine große Einigung erzielt, dass wir genauso vorgehen wollen. Auch die Bundestagsfraktionen sehen die starke Rolle der Apothekerinnen und Apotheker und gehen mit uns konform, diese Reform so umzusetzen.“ Wie immer in parlamentarischen Verfahren sei es sicherlich auch hier so, dass noch zusätzliche Sichtweisen der Abgeordneten eingebracht würden. „Das ist ja immer so. Aber wir haben eine ganz große Einigkeit, die auch im Koalitionsvertrag hinterlegt ist.“