Noch einige Schwachstellen

Schwintek analysiert Verhandlungslösung

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Berlin -

Die Apotheken sollen mit den Kassen über das Honorar verhandeln, so sieht es der Entwurf zur Apothekenreform vor. Nachdem er den ersten Vorschlag enttäuschend fand, ist Dr. Sebastian Schwintek, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, mit dem neuen Modell zufrieden. Was fehle, sei das Fixum.

Geregelt wird die Verhandlungslösung in einem neuen § 3a Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Der GKV-Spitzenverband und der DAV-Spitzenverband sollen demnach – im Benehmen mit dem PKV-Verband innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten und danach jeweils jährlich einen „einheitlichen Vorschlag zur Anpassung des relativen Anteils und des Fixums“ erarbeiten. Dabei sollen insbesondere die Veränderung des vom Statistischen Bundesamt festgelegten Verbraucherpreisindexes im Vergleich zum Vorjahr, der Grundsatz der Beitragssatzstabilität und die „Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung“ berücksichtigt werden. Das Ergebnis ist dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorzulegen.

Beitragsstabilität

Der Entwurf habe sich in einigen Punkten deutlich verbessert, so Schwintek: Er stelle jetzt – ohne erkennbare Priorisierung – auf drei Komponenten ab. Die Vorgabe der Beitragsstabilität sei insofern gelockert, als sie anhand der Veränderungsrate der Grundlohnsumme zu bemessen sei. Konkret wurde ein Verweis auf § 71 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB V) aufgenommen, nachdem Veränderung bei der Vergütung die durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen nicht überschreiten darf.

Das hatte Schwintek im ersten Entwurf vermisst, sodass der Verweis auf Beitragsstabilität zunächst als reiner Begrenzungspfahl hätte wirken können: „Sieht man die überbordenden Ausgaben der anderen Sektoren als gesetzt an, wäre jeder Euro mehr für Apotheken schon einer zu viel, ihr Anteil an den Gesamtausgaben würde weiter sinken.“

Wesentlich fairer ist aus seiner Sicht daher die Orientierung an der dynamischen Grundlohnsumme als begrenzendem Faktor. „Diese drückt ja die Lohnentwicklung und damit auch die Leistungsfähigkeit der GKV aus, ist aber dynamisch. Sie bestimmt den GKV-Finanzspielraum für alle Sektoren und bewirkt an sich Beitragssatzstabilität, auch wenn die demografischen Herausforderungen hier ganz neue Lösungen fordern.“

Verbraucherpreisindex

Der Verbraucherpreisindex ist nach seiner Ansicht ein objektiver, leicht zu ermittelnder Orientierungswert. Ganz überzeugt ist er aber davon noch nicht: „Was hat es mit Apotheken zu tun, ob Fernseher billiger oder Butter teurer werden?“

Entwicklung wichtiger Kennzahlen seit 2013
Wichtige Kennzahlen laufen der Entwicklung des Apothekenhonorars davon.Grafik: Treuhand Hannover

Kostenentwicklung

Viel besser findet er ein anderes zentrales Anpassungskriterium, auf das der Gesetzgeber und auch die Verhandlungspartner im Gesundheitswesen praktisch durchweg setzten: die Kostenentwicklung im jeweiligen Versorgungsbereich. „Das ist auch folgerichtig: Wer für die Solidargemeinschaft Leistungen erbringt, sollte zumindest die dafür aufgewendeten Kosten erstattet erhalten – zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlages, der die eigene Tätigkeit honoriert.“

So knüpfe auch die gesetzlich längst vorgesehene Prüfung des Apothekenhonorars an die „Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung“ an. Vom Verordnungsgeber sei diese Vorgabe aber seit 13 Jahren ignoriert worden.

Jährliche Verhandlungen

Gut findet Schwintek, dass nicht mehr „regelmäßig“, sondern „jährlich“ verhandelt werden soll. Eine Verschleppung sei damit jetzt ausgeschlossen, da es einen festen Verhandlungsturnus gebe mit entsprechenden Abschlussfristen und einer bei Nichteinigung automatisch erfolgenden Schiedsstellenentscheidung binnen acht Wochen. „Das gibt Planungssicherheit für beide Seiten.“

Gesundheits- statt Wirtschaftsministerium

Nach wie vor nicht angepasst wurde die Zuständigkeit: Nach § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) ist das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) für die Festsetzung der Spannen zuständig; die Verhandlungsergebnisse sollen aber dem BMG vorgelegt werden. „Der Zuständigkeitswechsel vom BMWE zum BMG wurde also nicht umgesetzt.“ Hier fürchtet Schwintek wieder ein Vakuum: „Weiter offen ist damit der Rahmen für die Bewertung, Abwägung und Entscheidungsfindung auf der Ebene des zuständigen Ministeriums. Es wäre jetzt an der Zeit, dies zum Teil eines verbindlichen Verhandlungsrahmens zu machen.“

Im Übrigen sei die in Betriebskostenentwicklung laut § 78 AMG für das BMWE weiter das zentrale Anpassungskriterium. „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das so stehen bleiben soll.“

Kein Zuschlag für Landapotheken

Gut findet Schwintek, dass der Zuschlag für Landapotheken einschließlich Definition der dafür in Frage kommenden Standorte gestrichen wurde: Dies wäre aus seiner Sicht nicht nur hochkomplex und wenig zielführend gewesen; eine Landapothekenförderung durch Packungszuschläge hätte auch die Gleichpreisigkeit in Frage gestellt.

Keine weiteren Indizes

„Auch ohne den ebenfalls weggefallenen Verweis auf die Berücksichtigung ‚geeigneter Indizes‘ dürfte es den Verhandlungspartnern möglich bleiben, weitere relevante Aspekte zu berücksichtigen – diese dann aber sicher mit einem gegenüber den drei genannten Komponenten untergeordneten Stellenwert“, so Schwintek.

Ausgangspunkt offen

Wesentliche Kritikpunkte an der Verhandlungslösung bleiben aus seiner Sicht: Vor allem fehle nach wie vor der Sockel der angekündigten 9,50 Euro. Auch die unnötige Erweiterung über das Fixum auf die prozentuale Komponente sieht er kritisch: „Hier wird sich keine Seite bewegen beziehungsweise bewegen können.“ Niemand – jedenfalls von Apothekerseite – habe darum gebeten, dass jene 3 Prozent, die dafür sorgten, dass für steigende variable Kosten noch ein Minimum an Ausgleich mitwachse, zur Verhandlungsmasse würden. „Eine Senkung wäre glatter Selbstmord und das absehbare Ende der Spezialversorgung, eine Steigerung selbst bei steigendem Zinsniveau für die Kassen ein rotes Tuch.“

Schließlich sieht er den reinen Empfehlungscharakter kritisch, auch wenn jetzt klargestellt wurde, dass die Einigung nicht dem Verordnungsgeber, sondern explizit dem BMG vorgelegt werden soll. „Hier wird wohl erst die Praxis zeigen, ob die Selbstverwaltungslösung diesen Namen auch verdient.“

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