Brief an Warken

„Reform ist bedeutungslos ohne Fixum“

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Berlin -

Nach dem Auftritt von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) ist bei der Apothekerschaft vor allem eins zu spüren: Frust und Ärger, vor allem über die ausgebliebene – obwohl eigentlich im Koalitionsvertrag versprochene – Honorarerhöhung. Dr. Mohammed Radman, Inhaber der Humanitas-Apotheke Leipzig, hat Konsequenzen gezogen und seine CDU-Mitgliedschaft beendet. Zugleich wandte er sich in einem Brief direkt an die Ministerin.

„Ich war jahrelang Mitglied der CDU-Partei aus voller Überzeugung“, erklärt Radman. Seine Mitgliedschaft endete jedoch direkt nach dem diesjährigen DAT. Als Grund dafür benennt der Apotheker klar den „Wortbruch“ der Ministerin bezüglich der Honorarerhöhung. „Die Enttäuschung über Ihren Auftritt war in der Apothekenschaft riesengroß. Die Begründung des Wortbruchs mit ‚klammen Kassen‘ ist so alt wie unsere letzte Anpassung des Fixums vor über 20 Jahren“, kritisiert Radman.

„Wir haben schon immer gewusst, dass auf Versprechungen der Politik und gar festgeschriebene Vereinbarungen kein Verlass ist. Aber nach über 20 Jahren keine Inflationsanpassung für diese Berufsgruppe zu geben, ist schon ein harter Tobak, was ich von der CDU nicht erwartet habe.“ Schließlich hätten Ärzte und auch Kassenvorstände in den vergangenen 20 Jahren nicht mit eingefrorenen Gehältern gearbeitet.

„Wie können Sie mit dem Gewissen der Partei eine Berufsgruppe einfach so aussterben lassen“, fragt er. Er erinnert an die Versorgungsleistung der Apotheken während der Pandemie und betont, dass nur stationäre Apotheken die Notdienste leisteten; der Versandhandel werde diese kritische Funktion nicht übernehmen können.

Tag und Nacht für die Bevölkerung da

Um zu unterstreichen, wie wichtig die wohnortnahe, niedrigschwellige Versorgungsleistung insbesondere im Notdienst sei, führt er ein Beispiel an. So habe es nachts gegen halb zwei in der Apotheke geklingelt. Am Schalter stand eine junge, alleinerziehende Mutter mit einem etwa fünf Monate alten Kind und einem zweijährigen Sohn. „Das Kleine schreit im Kinderwagen, der Sohn schreit auf ihren Armen. Sie fragte mich mit Tränen in den Augen, ob ich etwas gegen das Fieber ihres fünfmonatigen Kindes habe“, erinnert er sich. Er habe der Frau mit geeigneten Medikamenten geholfen und Tipps zur Temperaturregelung gegeben.

Die Mutter habe erklärt, dass der ältere Junge nur aufgewacht sei und sie ihn nicht alleine zu Hause habe lassen können. „Also schob sie den Kinderwagen mit einem Arm und mit dem anderen trug sie den zweijährigen Sohn“, berichtet Radman. Als er sich nach dem Wohnort der Frau erkundigte, habe sie eine Straße in rund 1,5 Kilometer Entfernung genannt.

„Wir sind diejenigen, die für die Bevölkerung Tag und Nacht da sind. Wenn weitere Apotheken aufgrund mangelnder Honoraranpassung und steigender Kosten schließen müssen, wäre der Weg für diese junge Frau noch weiter als 1,5 km. Und das mitten in der Nacht. “ Er fragt die Ministerin scharf: „Tagtäglich leisten wir hochwertige medizinische Versorgung. Und Sie finden eine Fixum-Erhöhung als Inflationsausgleich von über 20 Jahren von 1,50 Euro zu viel?“

Apothekenreform nur mit Honorarerhöhung

Radman warnt vor den Folgen: „Was würden Sie tun, wenn Apotheken nach und nach zugrunde gehen würden – und das tun sie ja – und ein Krieg bricht aus? Dass so ein Krieg ausbrechen könnte, ist real und das wissen Sie auch. Versandapotheken helfen da kaum. Nur die Apotheken im Land werden die Bevölkerung, auch mit Eigenherstellung, versorgen und unterstützen.“

„Ohne inflationsäquivalentes Fixum ist die anstehende Apothekenreform bedeutungslos“, betont Radman klar. Auch die Notdienstpauschale sei nicht wichtiger als eine allgemeine Honorarerhöhung, fügt er an.

Als die CDU gewählt wurde, sei die Hoffnung in der Apothekerschaft groß gewesen, dass die Partei verstehen würde, dass ein Unternehmen nur wirtschaftlich tragfähig sein könne, wenn die Kosten abgedeckt seien. „Mit Ihrem Auftritt haben Sie diese Annahme erschüttert.“

„Jede Partei braucht Klientel – auch die CDU. Andere haben ihr Wählerklientel durch Wortbrüche verprellt und sind jetzt unter 3 Prozent. Die CDU ist nicht weit davon entfernt, denselben Fehler zu begehen“, warnt er.

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