Ärzte lehnen Kompetenzerweiterung ab

KBV: Kein Austausch, keine Arztleistungen, keine Rx-Abgabe

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Berlin -

Die Apothekenreform stärkt die Apotheken nicht, vielmehr führe sie zu „einer Aushöhlung ärztlicher Kompetenzen, einer Schwächung der Patientensicherheit und einer weiteren Zersplitterung des Gesundheitswesens“, kritisiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in ihrer Stellungnahme.

„Die weitgehend unkoordiniert stattfindende Übernahme von originär ärztlichen Aufgaben durch Apotheker ohne entsprechende Ausbildung konterkariert die Bestrebungen nach einer effizienteren Steuerung im Gesundheitswesen, gefährdet die Patientensicherheit und führt zu Mehraufwänden in Vertragsarztpraxen und damit erhöhten Kosten ohne erkennbare Verbesserung der Gesundheitsversorgung“, so die KBV in ihrer Stellungnahme.

Austausch von Rabattpräparaten

Schon der Austausch von Rabattarzneimitteln ist den Ärzten ein Dorn im Auge: Hier drohe eine finanzielle Mehrbelastung der GKV, die bestehenden Regelungen zur wirtschaftlichen Abgabe von Arzneimitteln würden ausgehöhlt. Außerdem sei nicht geregelt, wie mit den entstehenden Mehrkosten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Ärzte umzugehen sei. „Es ist auszuschließen, dass Ärzte für eine unwirtschaftliche Arzneimittelabgabe in der Apotheke haftbar gemacht werden, da der Austausch nicht in der Verantwortung des verordnenden Arztes liegt. Insofern ist eine verpflichtende Regelung einerseits zu einer entsprechenden Kennzeichnung dieser Rezepte in der Apotheke und andererseits zu einer entsprechenden Berücksichtigung in einer eventuellen Wirtschaftlichkeitsprüfung aufzunehmen“, so der Vorschlag der KBV.

Keine Retax, kein Regress

Dass es bei Formfehlern keine Nullretax mehr geben soll, ist laut KBV nicht zu Ende gedacht: „Regresse bei Ärzten aufgrund von Formfehlern beim Ausstellen von Rezepten (zum Beispiel Verwendung eines Unterschriftenstempels) dürfen ebenfalls nicht regressiert werden. Medizinisch sachgerechte und wirtschaftliche Verordnungen dürfen nach Auffassung der KBV nicht aufgrund von Formfehlern zu einem Regress führen.“

pDL: Verstoß gegen Arztvorbehalt

Durch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) verschiebt sich laut KBV die Grenze zwischen ärztlicher und pharmazeutischer Tätigkeit – ein Verstoß gegen den Arztvorbehalt für die Ausübung von Heilkunde. „Bislang Ärzten vorbehaltene Leistungen sollen von Apothekern übernommen werden, die hierfür nicht entsprechend ausgebildet sind. Dies lehnt die KBV ab.“ Auch blieben Konkretisierungen offen, beispielsweise wie die vorgesehene Regelung zur ärztlichen Verschreibung von pDL umgesetzt werden soll. Auch bleibe unklar, welche „Messungen“ zu Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus erfolgen sollen und welche Qualitätskriterien hierfür gelten. „Hier besteht die große Gefahr einer ungerechtfertigten Leistungsausweitung durch nicht evidenzbasiertes anlassloses Testen ohne Koordination mit der Arztpraxis. Es ist absehbar, dass die Ergebnisse von Testungen in Apotheken zu einem erhöhten Beratungsaufwand und zu Kontrolluntersuchungen in Arztpraxen führen werden.“ Die zweimonatige Frist, in der die Bundesapothekerkammer (BAK) evidenzbasierte Standardarbeitsanweisungen entwickeln soll, sei unrealistisch.

Impfungen verfassungswidrig

Gegen die geplante Ausweitung der Impfung in Apotheken auf alle Totimpfstoffe macht die KBV „erhebliche verfassungsrechtliche, weitere rechtliche sowie fachliche Bedenken“ geltend. Abgesehen davon, dass das hohe Qualitätsniveau abgesenkt werde, stehe es dem Gesetzgeber gar nicht zu, Ausnahmen vom Arztvorbehalt zu bestimmen. Nicht nur die Impfung selbst, sondern auch deren Vorbereitung und natürlich die Intervention bei Impfreaktionen stellten ein Ausüben von Heilkunde dar. „Zur Ausübung von Heilkunde bedarf es einer ärztlichen Approbation […], die durch die gesetzlich angeordnete Schulung keinesfalls ersetzt werden kann.“ Aufgrund der unterschiedlichen Berufsordnungen drohe bundesweit eine unterschiedliche Versorgungsstruktur bei den entsprechenden Impfungen. „Zudem ist fraglich, ob das Ziel der Erhöhung der Impfquoten bei Erwachsenen durch dieses ‚niederschwellige‘ Angebot vor dem Hintergrund weiterer Regelungen, die einerseits die durchzuführenden Aufgaben erweitern sowie andererseits die Anwesenheitspflicht eines Apothekers (und nur dieser darf in der Apotheke impfen) aussetzen, erreicht werden kann.“ Schon durch die geplante PTA-Vertretung werde das Angebot wieder eingeschränkt.

Außerdem drohe eine Benachteiligung der Praxen: „Während Ärzte beispielsweise im Rahmen der saisonalen Grippeimpfung strengen Mengenkontrollen unterliegen, gibt es nach heutiger Erfahrung bei der Grippeimpfung in Apotheken keinen Kontrollmechanismus der gesetzlichen Krankenkassen. Zudem werden Apotheken vielmals andere Vorbestellwege beziehungsweise Retourenmöglichkeiten der pharmazeutischen Industrie eingeräumt.“

Heimbelieferung als Übergang

Die geplante Neuregelung, nach der im Bereich der Heimversorgung Ärzte ihre Verschreibungen direkt an die heimversorgende Apotheke übermitteln dürfen, findet die KBV gut. „Aktuell entstehen an dieser Stelle des digitalen Verordnungsprozesses Medienbrüche und Zusatzaufwände, da die Übermittlung der Verordnungen in der Regel über Tokenausdrucke erfolgt.“ Allerdings würden nicht alle Szenarien abgedeckt. Insofern sei die ohnehin perspektivisch vorgesehene Anbindung der Heime an den Fachdienst die bessere Alternative.

Rx-Abgabe ohne Rezept

Dass Apotheker künftig verschreibungspflichtige Medikamente eigenständig abgeben dürfen – sowohl bei bekannten Dauertherapien chronisch Kranker als auch bei „unkomplizierten“ akuten Erkrankungen – stellt laut KBV einen Bruch mit der ärztlichen Therapieverantwortung und dem Grundsatz des Arztvorbehalts dar. „Die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente setzt eine ärztliche Diagnose voraus. Diese kann ohne Untersuchung und differenzialdiagnostische Abklärung nicht erfolgen.“

Auch hier macht die KBV „erhebliche rechtliche sowie fachliche Bedenken“ geltend: Das Stellen einer Diagnose mit der Möglichkeit, eine medikamentöse Therapie zu bestimmen, sei nicht Bestandteil des Pharmaziestudiums und gehöre damit nicht zu den Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern. „Diese können aus Sicht der KBV nicht über die Vorgaben einer Rechtsverordnung generiert werden.“

Außerdem werde die Trennung von Verordnung und Abgabe „ohne Not“ aufgehoben. „Das führt zu doppelten Fehlanreizen: Apotheker erhalten eine Vergütung für jede Abgabe – sie hätten also ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse, eine Verordnung zu ersetzen. Es entsteht ein Risiko der unsachgemäßen oder übermäßigen Abgabe, beispielsweise bei falsch gedeuteten Symptomen.“

„Die medizinisch festzustellende Notwendigkeit von Medikamenten wird so durch eine möglicherweise ökonomisch geprägte Entscheidung ohne ärztliche Abklärung ersetzt. Dies gefährdet die Patientensicherheit und die Therapietreue“, so die KBV. Völlig ungeklärt bleibe auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeitsverantwortung: „Eine nachträgliche Rezeptierung dieser von der Apotheke abgegebenen Arzneimittel und eine Übernahme der Wirtschaftlichkeitsverantwortung durch den behandelnden Arzt ist für die KBV ausgeschlossen. Dies müsste dringend klargestellt werden.“

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