Jetzt – vor Kabinettsbeschluss – sei die Zeit, in der man mit der Politik reden müsse, um noch Änderungen am Entwurf zur Apothekenreform zu erreichen, erklärte Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR), auf der heutigen Kammerversammlung. Der Abda-Vorstand habe Punkte definiert, bei denen Korrekturen oder Ergänzungen nötig seien. Priorität habe die Vergütung, so Hoffmann. Auf Maßnahmen in der Öffentlichkeit wolle man noch bis zum 17. verzichten; man wolle erst mit der Politik reden und nicht eskalieren.
„Wir stehen in einer Zeit des Wandels, gleichzeitig herrscht unheimlicher Erwartungsdruck“, so Hoffmann. Er sprach von einem Scheidepunkt für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Die Gesellschaft werde sich ändern; die Babyboomer kämen „so langsam in die Apotheken“. Gleichzeitig könne das Angebot die Nachfrage nicht mehr decken. Dies führe zu Verteilungskämpfen innerhalb der Bevölkerung um den Zugang zum Gesundheitswesen.
„Unser System ist ein System, das bis jetzt hervorragende Dienste im Sinne unserer Bevölkerung und im Sinne unseres Staates geleistet hat“, betonte Hoffmann. Insbesondere das System als inhabergeführte Apotheke müsse auch in Zukunft dringend erhalten bleiben. Dennoch seien Reformen notwendig, da eine zunehmende Zahl von Patientinnen und Patienten in die Apotheken käme und deren Gesundheitskompetenz abnehme. Die neuen Patienten könnten nicht mehr auf das Wissen ihrer Eltern zurückgreifen. Als Beispiel nannte er, dass viele junge Eltern nicht einmal mehr wüssten, wie Wadenwickel gemacht würden.
Die Apothekerschaft habe im Frühjahr ein Papier zur Weiterentwicklung der Apotheken vorgelegt.
Der Abschnitt zu Apotheken im Koalitionsvertrag habe Hoffnung gemacht und auch eine Honorierung angedeutet. Spätestens seit Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) die Eckpunkte vorgelegt habe, seien die Bedenken jedoch laut geworden.
„Und dennoch bleibe ich dabei, dass dieses Gesetz, wie es so formuliert ist, in weiten Teilen notwendig ist“, erklärt er. Allerdings sein in vielen Punkten Korrekturen, Änderungen und Ergänzungen nötig.
Hoffmann skizzierte den weiteren Prozess: Das Gesetz werde nach der Kabinettsbefassung am 17. Dezember – bisher nur das Gesetz nicht die Verordnung – vorrauschichtlich Ende Januar in die erste Lesung im Bundestag gehen. Auch der Bundesrat werde sich im Frührjahr mit dem Gesetz beschäftigen. Der parlamentarische Prozess solle Ende April abgeschlossen werden, die zweite und dritte Lesung seien wahrscheinlich im Mai.
Er betonte, dass in dem Gesetzentwurf vieles notwendig, aber auch viele Risiken enthalten seien. „Der meiste Sinn, wo wir am meisten fachlich noch bewirken können, ist jetzt. Jetzt müssen Gespräche geführt werden“, sagt Hoffmann. Man arbeite fast wöchentlich im Abda-Vorstand an der Strategie. Man habe circa 30 bis 35 Punkte im Gesetz identifiziert, die einer Änderung, Korrektur oder Ergänzung bedürften. Daraus seien fünf Prioritäten identifiziert worden, die als Erstes angesprochen werden müssten, da sie für das Überleben der Apotheken und für die Sicherstellung des politischen Rahmens notwendig seien.
Auch die Strategie für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit werde derzeit zu Ende entwickelt. „Aber bis zum Kabinettsbeschluss: Wir arbeiten mit der Politik, wir eskalieren jetzt noch nicht“, betonte Hoffmann.
Der erste Forderungspunkt sei die Erhöhung des Fixums – „das muss passieren“, betonte Hoffmann. Dieser erste Honorierungsschritt müsse erfolgen, da es ohne diese Basislinie der Grundsicherung schwierig sei, vieles andere leisten zu können.
Die Politik tue sich schwer mit einer Fixumserhöhung aufgrund des Gießkanneneffekts. Hoffmann schlug vor, das Geld über eine andere Form zugänglich zu machen, zum Beispiel über Gebühren. Ziel sei, dass die geforderten 800 bis 900 Millionen Euro bei den Apotheken ankämen.
Die zweite Honorierungsforderung sei die Aufhebung des Skontoverbotes, da diese sicher und einfach umsetzbar sei. Die dritte sei die Verhandlungslösung, die nur zum Besseren führen könne. Hier müsse jedoch auf die Formulierungen im Gesetz geachtet werden, damit geeignete Rahmenbedingungen geschaffen würden. Parameter müssten angesetzt werden, die die allgemeine Änderung der Lebensverhältnisse abbilde. Auch der Startpunkt müsse definiert sein – die 9,50 Euro, nicht das heutige Fixum.
Die Leistungsangebote, wie die Rx-Abgabe ohne ärztliche Verordnung, würden teilweise als Selbstzahlerleistungen angeboten. Hier müsse noch überlegt werden, wie man dies am besten verhandle.
Ein kritischer ordnungspolitischer Punkt sei die Vertretungsbefugnis der PTA. Dies dürfe aufgrund des ordnungsrechtlichen Systems nicht so stehen bleiben. Hoffmann verwies auf den Apothekervorbehalt: „Wir als freier Heilberuf haben vom Staat hoheitliche Aufgaben übertragen bekommen.“ Die vorbehaltliche Aufgabe der Apotheke ist die Arzneimittelversorgung mit Beratung, erklärte Hoffmann. Eine Apotheke könne zwar geöffnet sein, aber die PTA könne keine Arzneimittel abgeben. „Können wir uns vorstellen, eine Apotheke geöffnet zu lassen, die zwei Wochen lang keine Arzneimittel abgibt?“
Er betonte, dass die Rollen der Apothekenmitarbeiter dennoch weiterentwickelt und die Apotheker weiter entlastet werden müssten. Er sehe jedoch im aktuellen gesetzlichen Rahmen keine Möglichkeit, eine Vertretungsmöglichkeit zu schaffen.
Viele andere Dinge gingen in die richtige Richtung, wie flexiblere Öffnungszeiten. Aber die Umkehr der Ausnahmeregelung sei so nicht sinnvoll. Auch die vielen anderen Dinge im Apothekenbetrieb müssten kritisch hinterfragt werden. Die Vereinfachungen im Filialverbund, zum Beispiel nur ein Labor pro Verbund, seien in der praktischen Umsetzung noch zu diskutieren. Die jetzigen Gesetzesvorschläge zur Umsetzung der Laborpflicht seien zum Beispiel bei großen Entfernungen nicht praktikabel.
Die Telepharmazie voranzubringen, sei sicherlich ein wichtiger Schritt. Die Ampeln stünden bei der Leistungserweiterung, wie Impfen, Präventionsangebote oder Rx-Abgabe, überall auf grün, wie genau man dies ausgestalten werde, müsse man konkret noch besprechen.
„Wir müssen schauen, dass die Politik auch mit uns sprechen will und wird, erste Anzeichen sind gut“, so Hoffmann. Man habe noch ein bis zwei Wochen Zeit, denn wenn der Entwurf das Kabninett passiere, dann sei schon so viel definiert, dass man nicht mehr so viel ändern könne. „Alles andere, was gerade politisch so geschieht, ist nachrangig.“
Auch Abda-Präsident Thomas Preis meldete sich zu Wort: Den Apotheken stehe das Wasser bis zum Hals, „nein, bis Oberkante Unterlippe“, so Preis. So gehe es nicht weiter, und das müsse man jetzt verdeutlichen. „Der nächste Punkt wird sein, dass wir bis zum 17. Dezember kämpfen und argumentieren müssen“, so Preis. Mit der Ministerin und vor allen Dingen mit der Ministerialbürokratie, um kritische Punkte noch zu korrigieren. Er gebe die Hoffnung noch nicht auf.
Es gelte auch, die Versprechungen des Koalitionsvertrages in Bezug auf die Honorierung der Apotheken umzusetzen. Da werde man nicht locker lassen, verspricht Preis. „Der Gesprächsfaden ist überhaupt nicht abgerissen“, betont er.
Aktuell sei die Arbeit in Berlin entscheidend; spätestens ab dem nächsten Jahr starte der parlamentarische Prozess. „Da ist jeder Abgeordnete damit beschäftigt. Dann sind sie noch mehr gefordert als jetzt schon“, erklärte Preis. Er appellierte an die Anwesenden, ein Grundrauschen zu erzeugen, durch direkte Ansprache persönlich in den Wahlkreisen.
Auch Hoffmann rief die Versammelten noch einmal auf, sich als „Multiplikatoren für die Politik“ einzusetzen. Alle Politiker, nicht nur Bundestagsabgeordnete, sondern auch Lokalpolitiker, jeder Politiker jeder Couleur könne helfen. „Wir müssen die Alarmstimmung der deutschen Apothekerschaft aufrechterhalten“, so der Appell von Hoffmann.
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