Seit dem 16. September ist für Ina Leischner, Inhaberin der Neuen Apotheke in Hohenmölsen bei Leipzig, klar: „Es gibt keine Hoffnung mehr, dass es im bestehenden Gesundheitssystem noch gerecht und mit gesundem Menschenverstand zugeht.“ Die Welt der Selbstständigen habe sich komplett geändert: „Die Erläuterungen von Nina Warken auf dem Deutschen Apothekertag zur Apothekenreform haben bewirkt, dass ich meiner Tochter von einem Pharmaziestudium abrate.“
Seit über 30 Jahren betreibt Leischner ihre Apotheke in Sachsen-Anhalt. „Bisher wollte meine jüngste Tochter, die kurz vor dem Abitur steht, den gut eingeführten Familienbetrieb übernehmen“, erklärt sie in ihrem Schreiben an die Gesundheitsministerin. Aber: „Unsere Welt hat sich seit dem 16. September komplett geändert“, betont Leischner im Hinblick auf den Deutschen Apothekertag (DAT), auf dem Warken die Eckpunkte zur Apothekenreform erläutert hatte. „An diesem Tag habe ich verstanden, dass es wohl keinen Sinn mehr macht, dass meine Tochter noch Pharmazie studiert.“
Leischner machte ihrem Ärger Luft: „Abgesehen davon, dass die Vertretungsbefugnis der PTA möglicherweise einen Systembruch zur Folge hat, um es zum Beispiel Drogeriemarktketten zu erlauben, eine unter der PTA geführte Apothekenecke zu betreiben, zerstören Sie das zwangsweise eingeführte Geschäftsmodell von Tausenden Apothekern, die in Folge der politisch verursachten prekären Situation ihren Betrieb schließen mussten und sich jetzt mit Vertretungen über Wasser halten.“
Leischner ist weder für noch gegen diese angedachte Regelung. „Ich sage nur, dass Ihr Ministerium nicht alle Folgen Ihres Handelns berücksichtigt. Mit Ertüchtigung des Berufes der PTA wird parallel der Beruf des approbierten Apothekers massiv abgewertet.“
Die Inhaberin stellt klar: „Seit Ihrem Besuch auf dem Apothekertag ist meine Hoffnung zunichte gemacht worden, dass es im bestehenden System noch gerecht und mit gesundem Menschenverstand zugeht.“
Immerhin habe Warken auf dem DAT erklärt, dass, „obwohl wir seit über 20 Jahren keinerlei Inflationsausgleich bekommen haben und eine kleine Erhöhung sogar ausdrücklich im Koalitionsvertrag steht, die öffentlichen Apotheken dieses Jahr mal wieder das ihnen versprochene und zustehende Geld nicht bekommen werden“, ärgert sich Leischner. Mehr noch: „Am nächsten Tag wurde verkündigt, dass die Ärzteschaft, wohlverdient, mit 2,8 Prozent bedacht wird. Und das nahezu jährlich.“
Sie werde ihrer Tochter wohl zu einem anderen Studiengang raten, erklärt Leischner. „Denn wenn man über 20 Jahre alleine von Kannibalismus leben muss, dann ist das einfach nur unwürdig und traurig“, stellt sie klar. „Und so wird ein eigentlich dringend benötigter Berufsstand systematisch zerstört und täglich schließen auch weiterhin zwei bis drei Apotheken in Deutschland für immer ihre Türen.“
In ihrem Brief richtet sie deshalb den Vorwurf direkt an Warken: „Schuld daran sind Ihre politischen Entscheidungen. Wie schade für meine Tochter, denn Apotheker war mal ein richtig toller Beruf, und sie hätte das sehr, sehr gerne gemacht.“