Die vorgesehenen Erleichterungen bei der Abgabe und dem Austausch von Arzneimitteln sowie die Ausweitung der Regelungen zu Nullretaxationen hebeln laut BKK-Dachverband „zentrale wirtschaftliche Steuerungsinstrumente der gesetzlichen Krankenversicherung“ aus und führen zu „erheblichen Mehrkosten für die Beitragszahlenden“. Zusätzlich fordern die Betriebskrankenkassen, den prozentualen Anteil von 3 Prozent zu deckeln und den Zwangsabschlag der Apotheken dauerhaft zu erhöhen.
Bereits heute bestehen ausreichende Regelungen, die Apotheken eine flexible Versorgung bei Lieferengpässen und notwendigen Medikationsanpassungen ermöglichen, erklärt der BKK-Dachverband. Mit dem Lieferengpassgesetz sei zudem eine verpflichtende Bevorratung von Rabattvertragsarzneimitteln für sechs Monate eingeführt worden, sodass Apotheken diese jederzeit über den vollversorgenden Großhandel beziehen könnten.
„Eine Abgabe allein nach Lagerbestand würde die Rabattvertragslogik unterlaufen und zu erheblichen Mehrkosten für die gesetzliche Krankenversicherung führen. Die Apotheken haben ihre Bevorratung selbst in der Hand und sind wie alle Akteure im Gesundheitswesen zur wirtschaftlichen Versorgung verpflichtet“, erklärt der BKK-Dachverband. Eine weitergehende Flexibilisierung sei allenfalls für Arzneimittel mit festgestellter kritischer Versorgungslage sinnvoll.
Auch die geplante Ausweitung des Ausschlusses von Retaxationen lehnen die Betriebskrankenkassen ab. Mit dem Lieferengpassgesetz seien bereits umfassende Regelungen geschaffen, die Sanktionen nur noch in engen Ausnahmefällen vorsähen. „Wenn die Apotheke gegen die Pflicht zur wirtschaftlichen Abgabe verstößt oder erforderliche Verfügbarkeitsanfragen nicht durchführt, kann die Krankenkasse den Vergütungsanspruch auf den Warenwert kürzen. Dies ist sachgerecht und notwendig, um Wirtschaftlichkeitsprinzip und Rabattverträge zu sichern“, erklärt die BKK. Apotheken müssten weiterhin verpflichtet bleiben, preisgünstige Arzneimittel zu beziehen und wirtschaftlich zu handeln, wie alle anderen Akteure im Gesundheitswesen auch.
Die BKK begrüßt den geplanten Ausbau von pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL), „sofern er evidenzbasiert erfolgt und einen erkennbaren Mehrwert für die Versorgung schafft“. Neue Leistungen zur Prävention und zum Medikationsmanagement könnten einen wichtigen Beitrag zur Patientensicherheit und zur Therapieadhärenz leisten, wenn sie in bestehende Versorgungsstrukturen eingebettet seien. Dabei brauche es eine klare Abgrenzung der Rollen zwischen Apotheken und Arztpraxen, um Doppeluntersuchungen und Doppelfinanzierungen zu vermeiden. „Die Ausgestaltung muss patientenorientierte Versorgungspfade berücksichtigen und sollte nicht zu Lasten bestehender Qualifikationsprofile oder anderer Gesundheitsberufe gehen“
Präventionsberatungen in Apotheken sollten dabei eng mit bestehenden Präventionsleistungen verknüpft werden, fordern die Betriebskrankenkassen. So könnten Apotheken Präventionsempfehlungen nach § 20 Abs. 5 SGB V (Muster 36) ausstellen, die an die qualitätsgesicherten Leistungen der Krankenkassen nach Paragraf 20 Absatz 5 SGB V weitervermitteln. Dadurch werde den Menschen ein nachhaltiges Beratungs- und Unterstützungsangebot zur Verbesserung der verhaltensbezogenen Prävention in den Bereichen Bewegungsförderung, gesunder Ernährung, psychischer Gesundheit und Suchtprävention zugesichert. „Eine zusätzliche Honorierung ist, wie bei anderen Berufsgruppen, nicht erforderlich“, erklärt der BKK-Dachverband. „Neue Leistungsinhalte sollten verbindlich durch die Selbstverwaltung bestimmt werden, nicht einseitig durch Standesvertretungen.“
Die Integration der Dokumentation in die elektronische Patientenakte (ePA) und die Information behandelnder Ärzte sei sinnvoll. Wichtig sei zudem, eine bundesweit einheitliche Transparenz darüber zu schaffen, welche Dienstleistungen wo angeboten werden. Die Umsatzsteuerbefreiung für pDL sei sachgerecht.
Positiv bewerten die Betriebskrankenkassen dagegen die Maßnahmen zur Flexibilisierung der Apothekenorganisation, die darauf abzielten, die Vor-Ort-Versorgung zu stabilisieren.
Neue Leistungen wie Präventionsangebote sollten zudem nicht unter dem Begriff pharmazeutische Dienstleistung gefasst werden, da nicht alle dieser Leistungen dem traditionellen pharmazeutischen Kernauftrag entsprechen würden. „Sollte an der Erweiterung der Leistungsinhalte festgehalten werden, ist eine neutralere Bezeichnung wie Dienstleistungen von Apotheken vorzugswürdig.“
Die Auflösung des Fonds für pDL und die Rückkehr zur Einzelabrechnung begrüßt der BKK-Dachverband ausdrücklich. Die Inanspruchnahme der bestehenden Leistungen liege weit unter den Erwartungen. Die Mittel stammten aus den Beiträgen der Versichertengemeinschaft und sollten daher unmittelbar zur Stabilisierung der Versorgung eingesetzt werden.
Der BKK-Dachverband lobt ebenfalls die Ausweitung des Impfangebots in Apotheken. „Impfangebote in Apotheken haben sich aufgrund des niedrigschwelligen Zugangs bewährt und stellen eine sinnvolle Ergänzung zur ärztlichen Versorgung dar, insbesondere mit Blick auf Prävention und Versorgung im ländlichen Raum“, heißt es. Dabei müsse aber sichergestellt werden, dass die Vergütung von Impfleistungen in Apotheken das Vergütungsniveau der vertragsärztlichen Versorgung nicht übersteige, um Fehlanreize und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Um dies zu gewährleisten, sei eine entsprechende gesetzliche Änderung nötig. Eine enge Abstimmung mit den Ärzten bleibe notwendig, um die Impfpraxis und Dokumentation koordiniert und im Sinne einer guten Versorgung auszurichten.
Die Möglichkeit, die Leitung einer Filialapotheke auf zwei Apothekerinnen oder Apotheker aufzuteilen, begrüßt der BKK-Dachverband. Diese Regelung schaffe mehr Flexibilität in der Personalorganisation und ermögliche moderne Arbeitsmodelle wie Teilzeit oder Tandemlösungen. „Die Flexibilisierung der Leitungsstrukturen stärkt die wohnortnahe Versorgung und wird sinnvoll durch die erweiterte Verantwortungsübernahme durch qualifizierte PTA ergänzt, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Versorgung leisten können“, heißt es weiter. Die vorgesehene Möglichkeit, dass PTA eine Apothekenleitung zeitlich begrenzt vertreten könnten, sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Auch die erleichterte Gründung von Zweigapotheken sowie die Integration von Telepharmazie könnten insbesondere im ländlichen Raum Versorgungslücken schließen.
Der BKK-Dachverband begrüßt die Einführung einer Vergütung für Teilnotdienste in den Abendstunden. Mit der Neuregelung könnten Apotheken in ländlichen Regionen entlastet werden, die aufgrund geringerer Apothekendichte überdurchschnittlich häufig Vollnotdienste leisten müssten. „Eine differenzierte Vergütung, die den realen Einsatz abbildet, trägt zu einer ausgewogeneren Belastung bei und fördert die Sicherstellung eines flächendeckenden Notdienstangebots.“
Der BKK-Dachverband lehnt die Abgabe von Rx-Medikamenten ohne ärztliches Attest ab. Mit dem E-Rezept bestehe bereits die Möglichkeit der Mehrfachverordnung, sodass eine durchgehende Versorgung sichergestellt werden könne. Eine zusätzliche Abgabe ohne ärztliche Rücksprache berge Risiken für die Therapiesicherheit; zudem bestehe Missbrauchsgefahr. Selbst wenn die Abgabe als Selbstzahlerleistung erfolge, wäre mit Anträgen auf Kostenerstattung bei den Krankenkassen zu rechnen, was Mehraufwand erzeugt und zu Konflikten in der Versichertenkommunikation führen könne, warnen die Betriebskrankenkassen. Auch die Abgabe bei bestimmten Erkrankungen berge Risiken. Sowohl die Indikationen als auch die Wirkstoffe müssten klar definiert werden.
„Aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung über die Voraussetzungen entscheiden, nicht allein das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).“ Für unkomplizierte Erkrankungen wie eine allergische Bindehautentzündung oder eine einfache Harnwegsinfektion bei erwachsenen Frauen könnte eine Abgabe denkbar sein, vorausgesetzt, es würden standardisierte Anamnesewerkzeuge genutzt und eindeutige Kriterien für eine ärztliche Vorstellung vorgegeben.
Dabei müssten Haftungsfragen eindeutig geregelt sein und die Dokumentation zwingend in der ePA erfolgen. Auch hier wären nach Einschätzung des BKK-Dachverbandes trotz Selbstzahlerleistung mit Erstattungsanträgen und damit verbundenem Verwaltungsaufwand zu rechnen. „Insgesamt erscheint die Regelung nicht ausreichend durchdacht und birgt Risiken für Therapiesicherheit und Wirtschaftlichkeit.“
Vergütungsverhandlungen: Problematisch im Hinblick auf die geplante Verhandlungslösung sei, dass eine Schiedsperson im Konfliktfall lediglich eine Empfehlung an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) abgeben solle. Dies unterläuft das Prinzip einer souveränen paritätischen Selbstverwaltung und schaffe zusätzliche Verfahrenskomplexität ohne verbindliche Entscheidungen. Die Festsetzung der Vergütung müsse zwischen den Vertragspartnern verbindlich erfolgen und im Konfliktfall durch ein Schiedsamt abschließend entschieden werden. „Eine Ersatzvornahme durch das Bundesministerium darf lediglich als Ultima Ratio gelten, falls trotz Schiedsverfahren keine Einigung erzielt wird“, so die Forderung der Betriebskrankenkassen.
Ergänzend zu den Maßnahmen in dem Reformpaket macht der BKK-Dachverband weitere Vorschläge, um die Kassenbeiträge zu stabilisieren. „Der prozentuale Aufschlag von 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis sollte aus Sicht der Betriebskrankenkassen gedeckelt werden“, heißt es in der Stellungnahme. Der Aufwand in Apotheken steige mit dem Preis eines Arzneimittels nicht proportional an, weshalb die derzeitige Regelung bei hochpreisigen Arzneimitteln zu unangemessenen Vergütungsüberhängen führe, begründen die Betriebskrankenkassen.
Botendienste müssten daher die Ausnahme bleiben und sollten nur in begründeten medizinischen Notfallsituationen zum Einsatz kommen, die von Ärzten im Rahmen der Verordnung entsprechend festgelegt werden“, erklärt der BKK-Dachverband.
Um die GKV dauerhaft zu stabilisieren, fordert der BKK-Dachverband außerdem die Erhöhung des Herstellerabschlags, die Absenkung der Mehrwertsteuer bei Arzneimitteln auf 7 Prozent sowie eine dauerhafte Erhöhung des Apothekenabschlags. „Die Anhebung des Abschlags im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes auf 2 Euro je Packung hat gezeigt, dass ein verhältnismäßiger finanzieller Beitrag der Apotheken möglich ist und zu Einsparungen von jährlich rund 150 Millionen Euro führt“, erklären die Betriebskrankenkassen.
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