Stellungnahme zur Apothekenreform

Arbeitgeberverband will Apothekenketten

, Uhr
Berlin -

Beim Arbeitgebertag treffen sich heute Vertreter des Mittelstands, um über Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft zu diskutieren. Apothekerinnen und Apotheker gehören offenbar nicht zur Zielgruppe: Wie schon in der Vergangenheit fordert die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) die Zulassung von Apothekenketten.

Der Arbeitgeberverband sucht nach Ideen, wie die Unternehmen hierzulande entlastet werden können. Das Gesundheitswesen ist eine von drei wichtigen Säulen, hier sollen laut BDA viel stärkere Sparmaßnahmen umgesetzt werden. Das findet sich auch in der Stellungnahme zur Apothekenreform wieder: „Effiziente Arzneimittelversorgung sicherstellen, Doppelstrukturen vermeiden“, lautet das Motto, hinter dem sich tatsächlich Forderungen nach einer Liberalisierung finden.

Die Regelungen zu Zweigapotheken seien grundsätzlich richtig, gingen aber nicht weit genug. „Was fehlt, ist die vollständige Aufhebung des Mehr- und Fremdbesitzverbots für Apotheken. Durch diesen Schritt könnte der Wettbewerb intensiviert und die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung weiter gefördert werden.“ Bislang verhinderten die bestehenden Regelungen den Betrieb von Apotheken durch Kapitalgesellschaften und die Bildung von Apothekenketten. Zu Unrecht, wie die BDA findet: „Bedenken, dass Apothekenketten zu monopolartigen Strukturen und damit zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen könnten, sind unbegründet und erscheinen schon angesichts der großen Anzahl von circa 16.700 Apotheken und der hohen Apothekendichte (circa 4800 Einwohner pro Apotheke) konstruiert.“ Das Entstehen monopolartiger Strukturen könne bereits durch das geltende Kartellrecht ausgeschlossen werden. „Auch das Ziel der sorgfältigen Arzneimittelabgabe und somit des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung wird durch die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots nicht gefährdet.“

Angst vor Austausch in Apotheke

Von der geplanten erweiterten Austauschmöglichkeit von rabattierten Arzneimitteln sollte wegen des hohen Kostenrisikos für die Kassen abgesehen werden. „Dies würde die bewährte Rabattvertragssystematik unterlaufen, die maßgeblich zur Wirtschaftlichkeit und Steuerbarkeit der Arzneimittelversorgung beiträgt“, so die BDA. „Wenn Apotheken künftig die Möglichkeit erhalten, außerhalb der vertraglich geregelten Strukturen eigenständig Austauschentscheidungen zu treffen, droht eine erhebliche Aufweichung dieser bewährten Systematik.“

Die Folgen wären nicht nur steigende Arzneimittelausgaben, sondern auch ein Verlust an Steuerbarkeit und Transparenz im Arzneimittelmarkt. „Krankenkassen könnten ihre Einsparziele kaum noch zuverlässig planen, und die bisher erzielten Wirtschaftlichkeitseffekte aus den Rabattverträgen würden deutlich reduziert.“ Auch bestehe die Gefahr, dass der Wettbewerb unter den pharmazeutischen Herstellern verzerrt werde: „Rabattverträge beruhen auf fairen, transparenten Ausschreibungsverfahren – die geplante Regelung könnte jedoch dazu führen, dass Hersteller mit günstigen Verträgen gegenüber solchen mit besserer Verfügbarkeit benachteiligt werden. Das untergräbt die rechtliche und ökonomische Verlässlichkeit des Systems.“

Statt den Austausch zu erleichtern, sollten die strukturellen Ursachen von Lieferengpässen angegangen und die Versorgungssicherheit über verbindliche Liefer- und Bevorratungspflichten verbessert werden. „Dadurch würde die Wirtschaftlichkeit und Verlässlichkeit in der Arzneimittelversorgung verbessert.“

Apotheke als Grundversorger

Positiv sehen die Arbeitgeber die stärkere Einbindung der Apotheken bei der Steuerung der Patientinnen und Patienten: „Im Sinne eines Primärversorgungsmodells sind die vorgesehenen Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung durch Apotheken grundsätzlich zu begrüßen“, heißt es. Apotheken könnten gegebenenfalls in Regionen, in denen keine medizinische Grundversorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte vorhanden ist, beziehungsweise für Menschen, die keine feste Arztpraxis haben, zu einer Grundversorgung beitragen. Aber dies müsse im Rahmen eines abgestimmten und geplanten Vorgehens erfolgen: Apotheken müssten konsequenterweise bei Beteiligung auch verpflichtet werden, das Angebot verlässlich und verpflichtend vorzuhalten, das Vorhalten des Angebots in einer zentralen Datenbank analog zum Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung (KVen) bekannt zu geben und die Ergebnisse verpflichtend in die elektronische Patientenakte (ePA) einzustellen.

Und: „Es darf nicht zu Kostensteigerungen oder Doppelstrukturen kommen. Die Budgets für die ärztliche Versorgung sind entsprechend der Leistungen der Apotheken zu bereinigen. Das Geld muss der Leistung folgen.“ So könnte die vorgesehene Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung durch Apotheken gleichzeitig zur finanziellen Stabilisierung des Gesundheitssystems beitragen – vorausgesetzt, Effizienzgewinne würden konsequent genutzt.

Oder besser: Betriebsärzte

Eigentlich würden die Unternehmen aber lieber selbst aktiv werden: „Zudem müssen auch Vereinfachungen für Betriebsärztinnen und -ärzte vorgesehen werden. Unternehmen und Betriebe stellen mit ihren mehr als 31 Millionen Beschäftigten das größte Präventionssetting in unserer Gesellschaft dar.“ In der Pandemie habe die Wirtschaft bereits einen wesentliche Beitrag zur Gesundheitsvorsorge der Beschäftigten und zur Durchimpfung der Bevölkerung geleistet. „Damit ist in den Unternehmen und Betrieben bei den Betriebsärztinnen und -ärzten hervorragende Voraussetzungen gegeben, um die Durchimpfungsrate der Bevölkerung zu verbessern. Vor diesem Hintergrund sollte insbesondere auch Impfungen durch Betriebsärzte und nicht nur durch Apotheken erleichtert werden.“

Konkret brauche es praktikable Lösungen zur vereinfachten Impfstoffbeschaffung und -abrechnung, analog zum Vertragsarztbereich. Betriebsärztinnen und -ärzte hätten aktuell keine Möglichkeit der Beschaffung über Sprechstundenbedarf (SSB); die Bevorratung erfolge auf eigenes Risiko. Unter anderem dürften die vorgesehenen Regelungen für impfende Betriebsärztinnen und -ärzte keine Anwendung finden, da sonst eine „deutliche Benachteiligung des Impfsettings in Betrieben und Unternehmen“ drohe.

Betriebsärztinnen und -ärzte erbringen laut BDA maßgeblich auch Präventionsleistungen und Impfungen im betrieblichen Setting. Damit Informationen ausgetauscht und Doppeluntersuchungen vermieden werden könnten, müssten alle Betriebsärztinnen und -ärzte Zugriff auf die elektronische Patientenakte (ePA) haben. Vor diesem Hintergrund müsse auch die in allen anderen Bereichen bestehende „Opt-out“-Regelung auch für alle Betriebsärztinnen und -ärzte gleichermaßen gelten, für die aktuell weiterhin die „Opt-in“-Regelung gültig sei.

Entschädigung vereinfachen

Schließlich sollte im Zuge der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die Chance genutzt werden, die Abwicklung von Entschädigungsansprüchen zu entbürokratisieren. Das Entschädigungsverfahren nach § 56 sollte zur Entlastung der Arbeitgeber vereinfacht und direkt zwischen Beschäftigten und Staat abgewickelt werden. Eine eigenständige Antragstellung der Arbeitnehmer – analog zum Kinderkrankengeld – würde das Verfahren deutlich beschleunigen und Bürokratie abbauen. Sollte das Verfahren weiterhin über die Arbeitgeber abgewickelt werden, sind zumindest bundeseinheitliche, digitale und rechtsklare Abläufe sicherzustellen.

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Linke wollen Senkung der Mehrwertsteuer
Arzneimittelpreise: „Das ist dreiste Abzocke“
Diskussion über Apothekenreform
Apotheker nehmen CDU-Vize ins Gebet