Wenn Ermittler und Staatsanwälte persönlich für Freisprüche mutmaßlicher Straftäter haften müssten, sähe es für die Strafverfolgung im Land düster aus. Genauso ist die Situation aber bei der sogenannten Paritätischen Stelle, die Verstöße gegen die Rx-Preisbindung ahnden soll. Ursprünglich wollte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auch die Kassen mit in die Pflicht nehmen, musste aber einsehen, dass doppelte Haftung die Sache nicht leichter, sondern kompliziert macht. Daher sollen die Mitglieder des Kontrollgremiums jetzt geschützt werden.
Die Paritätische Stelle hat die Aufgabe, Verstöße der Apotheken gegen ihre Verpflichtungen aus dem Rahmenvertrag zu ahnden und in diesem Zusammenhang auch die Details zur Einleitung und Durchführung des Verfahrens zu regeln, einschließlich der Verwendung der vereinnahmten Vertragsstrafen. „Eine persönliche Haftung der Mitglieder der jeweils zuständigen Stelle […] ist dabei auszuschließen“, heißt es im Kabinettsentwurf zum Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz (ApoVWG). Im Referentenentwurf war noch vorgesehen, das Haftungsrisiko für die Ahndung solcher Verstöße „auf die Vertragspartner des Rahmenvertrages zu gleichen Teilen zu übertragen“. Offenbar hat das BMG eingesehen, dass damit nichts erreicht würde.
Hintergrund: Mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) war 2020 nicht nur die Rx-Preisbindung ins Sozialgesetzbuch (SGB V) überführt worden. Es wurde auch geregelt, dass eine gemeinsame Schiedsstelle über die Einhaltung der Preisbindung wacht. Der Paritätischen Stelle, die Geldstrafen oder gar einen Ausschluss vom Rahmenvertrag aussprechen kann, gehören je drei Mitglieder von Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband an.
Wie hoch die Strafe bei Verstößen gegen die Preisbindung ausfallen kann, ist sogar direkt im SGB V geregelt: Bei einem „gröblichen oder einem wiederholten Verstoß“ gegen den durch den Beitritt anerkannten einheitlichen Abgabepreis können bis zu 50.000 Euro pro Verstoß verhängt werden, „wobei die Gesamtvertragsstrafe für gleichgeartete und in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang begangene Verstöße 250.000 Euro nicht überschreiten darf“. Theoretisch wäre sogar ein vorübergehender Ausschluss von der „Berechtigung zur weiteren Versorgung bis zur vollständigen Begleichung der Vertragsstrafe“ möglich.
Insbesondere die Kassen haben bislang wenig Interesse gezeigt, für die Einhaltung der Preisbindung zu sorgen. Doch auch der DAV glänzt nicht gerade durch großes Engagement. Denn er könnte Verfahren theoretisch sogar im Alleingang einleiten: Für Entscheidungen über die Einleitung und die Verhängung von Sanktionen genügt die Hälfte der Stimmen, sodass die Apothekerseite theoretisch auch alleine Beschlüsse treffen könnte.
Doch laut dem DAV-Vorsitzenden Dr. Hans-Peter Hubmann könnten die einzelnen Mitglieder dann von der betroffenen Versandapotheke persönlich haftbar gemacht werden, sollte ihre Entscheidung am Ende von einem Gericht doch noch für unzulässig erklärt werden. Der DAV hatte vor einigen Jahren sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben, das offenbar zu diesem Ergebnis kam.
Im Rahmenvertrag musste der DAV sogar hinnehmen, dass er im Zweifel alleine für die Entscheidung gerade stehen muss: „Das Haftungsrisiko tragen der GKV-Spitzenverband und der DAV je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder, die den Antrag für begründet halten und die sich zugleich für die konkrete (gegenüber der Apotheke verhängten) oder eine höhere Strafe ausgesprochen haben“, heißt es dort.
Dass Schadenersatzklagen drohen, klingt auf den ersten Blick ohnehin weit hergeholt, da ja „nur“ Geldstrafen verhängt werden können und ein kompletter Ausschluss vom Rahmenvertrag als Sanktion nur im Zusammenhang mit anderen Verstößen, aber eben nicht bei Preisbrechern vorgesehen ist.