Sterilrezepturen

Chemo-Pfusch: Hotline für Patienten

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Berlin -

Im Fall der mutmaßlich gestreckten Zyto-Rezepturen durch eine Apotheke in Bottrop hat die Staatsanwaltschaft Essen das Gesundheitsamt eingeschaltet. Am Freitag wurden den Kontrolleuren Informationen übergeben, aus denen hervorgeht, welche Ärzte von der Apotheke beliefert wurden. Außerdem wurde eine Hotline eingerichtet.

Laut Gesundheitsamt werden die übermittelten Daten jetzt ausgewertet. Die Stadt will alle Ärzte informieren, die mutmaßlich Sterilrezepturen aus der Apotheke erhalten haben. Patienten sollen sich an ihren Arzt wenden. Das war am Freitag aber nicht einfach, da viele onkologische Praxen am Nachmittag geschlossen hatten. Außerdem richtet das Gesundheitsamt eine Hotline für Fragen ein.

Inzwischen hat die zuständige Amtsapothekerin das Sterillabor gesperrt. Die weitere Versorgung sei sichergestellt: Eine Apotheke aus dem Kreis Soest habe die Belieferung übernommen. Nach Informationen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) hatte der Apotheker Kliniken und Praxen im gesamten Ruhrgebiet, im Düsseldorfer Raum und am Niederrhein beliefert.

Die Apotheke war Rabattpartner mehrerer Krankenkassen: Der 46-jährige Inhaber hatte bei der Ausschreibung der Knappschaft Bahn-See (KBS) zwei Lose geholt. Außerdem erhielt er einen Zuschlag beim gemeinsamen Vertrag von GWQ und DAK, der in dieser Woche gestartet ist. Hier hatten die Kassen nach eigenem Bekunden umgehend und umfassend reagiert: Die Ärzte wurden informiert, der Vertrag ruhend gestellt und das Los für andere Apotheken geöffnet.

Der Apotheker soll in mindestens 40.000 Fällen Infusionen zur Krebsimmuntherapie abweichend von den individuellen ärztlichen Verordnungen zu gering dosiert haben. Laut Staatsanwaltschaft beruht der Anfangsverdacht auf Informationen eines Insiders. Mehrere Wochen lang wurde bereits ermittelt. Ein Abgleich von Abrechnungen und Lieferscheinen habe dabei Diskrepanzen ergeben. Am 29. November wurden die Geschäfts- und Privaträume durchsucht.

Bei der Herstellung soll er auch gegen Hygienevorschriften verstoßen haben. Mit den Kassen habe der Apotheker den vollen Betrag abgerechnet. Der finanzielle Schaden liege bei 2,5 Millionen Euro.

Welchen gesundheitlichen Schaden der Apotheker angerichtet hat, ist offen. Aufgrund des rechnerischen Ansatzes sei es nicht möglich zu sagen, ob nur alle Lösungen gestreckt wurden oder ob nur einzelne Lieferungen zu wenig oder gegebenenfalls gar keinen Wirkstoff enthielten. Daher sei voraussichtlich nicht herauszubekommen, welche Patienten von fehlerhaften Infusionen betroffen waren und welche Auswirkungen das gehabt haben könnte, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Der Pharmazeut sitzt in Untersuchungshaft, weil Fluchtgefahr besteht. Er verfüge über die finanziellen Möglichkeiten, sich ins Ausland abzusetzen und so seiner Strafe zu entgehen, so die Staatsanwaltschaft. Im Fall einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetzes und gewerbsmäßigen Betruges drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Der Apotheker schweigt bislang. Obwohl es sich um eine ziemlich große Apotheke handeln soll, gibt es laut Staatsanwaltschaft keine weiteren Beschuldigten. Aufgrund der U-Haft sind die Ermittler bestrebt, ihre Arbeit schnellstmöglich zu einem Abschluss zu bringen.

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