Hochpreiser zum Monatsbeginn

Zu viel bestellt: Gehe sperrt Apotheke

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Berlin -

Der neue Monat startet für Boris Osmann mit einem Schock: Weil seine Mitarbeitenden angeblich zu viel Ware bestellt haben, hat sein Großhändler Gehe die Belieferung gestoppt. Der Inhaber der Stern-Apotheke am Hasselbachplatz in Magdeburg ist fassungslos, wie fahrlässig das Controlling des Lieferanten mit der Versorgung von Patientinnen und Patienten umgeht.

Am Montag erhielt Osmann einen Anruf von Gehe: Seine Apotheke habe seit Monatsbeginn zu viel bestellt und werde nach Hochrechnung des Controllings aus Großbritannien das vereinbarte Volumen überschreiten. Der Apotheker wurde aufgefordert, 90.000 Euro zu überweisen, nur so könne die weitere Belieferung sichergestellt werden.

Osmann war perplex. Der Monat sei doch gerade erst zwei Werktage alt, wie könne man denn da ein auffälliges Bestellverhalten ableiten, wollte er wissen. Er habe für 78.000 Euro Ware geordert und damit mehr als doppelt so viel wie normal, die Kreditlinie gebe das nicht her, sei ihm geantwortet worden.

Weil er sich weigerte, den geforderten Betrag zu überweisen, wurde er wie angekündigt gesperrt: Am Dienstagmorgen konnte er über Gehe keine Ware beziehen. „Ich bin seit 26 Jahren Kunde bei Gehe, mit stetig gewachsenem Volumen. Wir bestellen beim Großhandel monatlich Ware für mehr als eine Million Euro netto – und jetzt so etwas“, ärgert er sich.

Vorgehen nicht gerechtfertigt

Nach interner Recherche stellte sich heraus, dass die Sterilabteilung in der vergangenen Woche tatsächlich einige Hochpreiser bestellt wurden. „Es war Quartalswechsel, dazu der Feiertag. Ich bin meinem Team sogar dankbar dafür, dass es vorausschauend ein bisschen mehr bestellt hat.“ Ein paar Hochpreiser seien auch dabei gewesen, im Grunde aber nichts, was ungewöhnlich sei und ein derartiges Vorgehen rechtfertige.

Für ihn sei klar, dass es in diesem Monat kein deutlich höheres Volumen gebe. Unverständlich sei daher nach wie vor für ihn, wie das Management von Gehe in Großbritannien auf Grundlage der wenigen Tage zu diesem Schluss komme – und warum mit ihm als Stammkunden auf diese Weise umgegangen werde. „Ich hätte ja verstanden, wenn man mich angerufen und sich um eine Lösung bemüht hätte. Wir hätten ja über Zahlungsziele sprechen können oder über unsere Planungen.“ All das wäre für ihn möglich gewesen, dazu sei von Gehe aber nichts gekommen. „Abgesehen davon, dass der Algorithmus anscheinend völlig untauglich ist: Man kann doch einen Kunden nicht von jetzt auf gleich so im Regen stehen lassen. Nach zwei Tagen einfach so den Stecker zu ziehen, geht gar nicht.“

Einfahrt Logistikzentrum der Stern-Apotheke
Die Stern-Apotheke ist mit einem eigenen Logistikzentrum auch als Versender und Spezialversorger aktiv.Foto: APOTHEKE ADHOC

Immerhin: Gestern Abend konnte Osmann doch noch mit der Vertriebsleitung sprechen. Er habe den Eindruck, dass man in Frankfurt selbst sehr unglücklich mit dem Vorgang sei. „Ich glaube, man hat verstanden, dass das nicht hätte passieren dürfen.“ Seit heute morgen kann er auch wieder bestellen.

Dass Gehe andere Gründe für das rigorose Vorgehen gehabt hat, glaubt Osmann nicht. „Unser Geschäft läuft stabil, wir haben seit Monaten relativ konstante Bestellvolumina.“ Vielmehr geht er davon aus, dass es die überbordende Vorsicht ist, die auch bei Banken und in anderen Bereichen der Wirtschaft gerade um sich greift.

Er selbst hatte bereits mit seinen beiden anderen Lieferanten gesprochen, um die Aufträge umzuverteilen. Dort habe man ihm ebenfalls schon berichtet, dass im Controlling immer wieder vermeintliche Auffälligkeiten bei Apotheken angezeigt werden. Dort werde aber mit Augenmaß mit solchen Meldungen umgegangen. Das sei bei Gehe mit der Verwaltung weit weg vom deutschen Markt anscheinend nicht möglich.

Ganz verdaut ist die Sache für ihn noch nicht. Für andere Apotheken könne solch ein Vorgehen wie bei Gehe schnell existenzgefährdend sein, sagt Osmann: „Stellen Sie sich vor, so etwas passiert einer Apotheke, die mit ihrem Zweitlieferanten nur Vorkasse vereinbart hat. Da bricht von jetzt auf gleich das Geschäft zusammen – und damit auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“

Er ärgert sich am meisten darüber, dass den Apotheken nun auch noch von ihren Lieferanten auf diese Weise die Arbeit erschwert werde. Laut Osmann wird eine strukturrelevante Branche gefährdet: „Im Grunde wird hier mit der Gesundheit von Menschen gespielt.“

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