Im Dialog mit allen Beteiligten – so will Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die Reformen im Gesundheitswesen angehen. Transparent und mit der Möglichkeit, dass alle sich äußern können! „Das sind keine leeren Worte, sondern das ist unsere klare Überzeugung“, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Diesem Motto sollen nun Taten folgen: Zur Verbändeanhörung am kommenden Donnerstag sind deshalb nicht nur die üblichen Berufsverbände geladen, sondern gleich eine ellenlange Liste an Verbänden – was das BMG vor neue organisatorische Herausforderungen stellt.
Knapp 100 Verbände hat das BMG im ersten Schwung zur Anhörung eingeladen. Darunter – wie man es der Form halber natürlich erwarten durfte – die Abda, die Adexa, die Freie Apothekerschaft, diverse Ärzte- und auch Klinikvertreter, Patientenorganisationen und Pharmaverbände. Allerdings mussten die Mitarbeiter die Liste im Nachhinein noch weiter ausdehnen, weil sich doch immer wieder Formulierungen und Regelungen in dem umfangreichen Reformvorhaben fanden, die die Anwesenheit weiterer Branchen unabdingbar machten.
Dass wegen der Trinkwasserrichtlinie auf der vorvorletzten Seite des Entwurfs noch diverse Rohrhersteller oder der Kautschukverband nicht fehlen dürfen, liegt natürlich auf der Hand. Da der Richtlinie hier eine EU-Verordnung zugrunde liegt, hat man vorsorglich auch gleich eine Anwaltskanzlei mit eingeladen, die sich auf Europarecht spezialisiert hat. Auch im BMG weiß man, dass Arzneimittel der Flora und Fauna schaden können, und hat kurzfristig noch Umweltschutz- und Tierärzteverbände hinzugebeten.
Aber für eine allumfassende Verbändeanhörung muss natürlich auch zwischen den Zeilen gelesen werden. So ist einem bayerischen Mitarbeiter im Ministerium nachträglich aufgefallen, welch wichtige Rolle die Apotheken rund um die Wiesn beim Oktoberfest spielen. Prompt wurde der Festring München auf die Liste gesetzt. Daraufhin meldete sich eine Kölnerin bei der Ministerin: Am 11. November beginne die Karnevalssession, da wäre es natürlich ein Fehler, keine Karnevalsverbände einzuladen. Schließlich müssten die Apotheken in Köln an den Feiertagen im Februar auch noch im Notdienst eine Menge abfangen.
Für die Anhörung war ursprünglich der größte Konferenzraum im BMG reserviert worden. Doch für die aktualisierte Liste war im BMG kein Platz. Deshalb entschied man sich schließlich dazu, für die angedachten circa zwei Stunden ein Zirkuszelt aufzubauen. Der Zirkusverein, der das Zelt sponsert, darf natürlich auch zur Anhörung erscheinen. Das Catering musste ebenfalls angepasst werden: Statt Canapés gibt es für die Teilnehmer nun Currywurst „to go“, die aus logistischen Gründen schon am Vortag geliefert wird. Der Dialog ist schließlich wichtiger als das leibliche Wohl.
Um wenigstens einen Redner pro Verband unterzubekommen, hat sich das BMG frühzeitig entschieden, auf breite Tische zu verzichten. Stühle müssen reichen – aus Platzgründen Barhocker, und zwar höhenverstellbare, denn „Augenhöhe“ wird im Ministerium ganz wörtlich verstanden. Aufgestellt werden sollten sie eigentlich im Kreis, um Gleichheit zu signalisieren – also lieber an die Tafelrunde aus der König-Artus-Sage als an Frontalunterricht aus Schulzeiten erinnern. Nach ersten Berechnungen wurde das allerdings verworfen.
Um die Anhörung selbst so effizient wie möglich zu gestalten und Zwischenrufe zu vermeiden, greift das BMG auf eine bewährte Technologie aus den Meldehallen zurück: Jeder Verbändevertreter zieht beim Eingang eine Nummer. Sobald die Nummer auf einem Monitor erscheint, hat er 1,124 Minuten ungestörte Redezeit. Auch die Begrüßung der Ministerin ist bekannt geworden. Die angedachte Rede, in der sie kurz die wichtigsten Punkte der Reform wiederholen sollte, wurde in mehreren Schritten eingekürzt. In dem finalen Papier stehen zwei Worte: „Willkommen“ und zum Abschluss „Danke“.
Auch wenn für die Verbändeanhörung zur Apothekenreform kommende Woche wohl kein Zirkuszelt benötigt wird, wird es trotzdem voll. Das BMG hat für den 6. November tatsächlich Einladungen an knapp 100 Verbände verschickt. Tatsächlich sind der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie (wdk) und der Kunststoffrohrverband (KRV) eingeladen worden, auf die Karnevalsvereine wird man in der kommenden Woche aber wohl verzichten.
Der Grund für die ungewöhnliche Kombination ist, dass das Gesetz zur Umsetzung einer weiteren Regelung dient, die mit Apotheken gar nichts zu tun hat, wie ein Sprecher erklärt. Mit dem Gesetzespaket soll nämlich auch ein Paragraph zur Trinkwasserverordnung im Infektionsschutzgesetz geändert werden.
Für die Anhörung sind laut Einladung „circa zwei Stunden“ eingeplant. Wem das bei der eingeladenen Anzahl an Interessensvertretern etwas zu knapp bemessen vorkommt, dem versichert Thomas Müller, zuständiger Abteilungsleiter im BMG, dass den Apothekenthemen genügend Zeit eingeräumt werde. „Die Vielzahl der eingeladenen Verbände ist aus unserer Sicht kein Nachteil, sondern spiegelt die Komplexität der Arzneimittelversorgung. Wir nehmen uns dafür soviel Zeit, wie benötigt wird, bei Bedarf selbstverständlich auch mehr als zwei Stunden.“
In diesem Sinne, ein schönes Wochenende!
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