Seit Monatsbeginn gilt der Hilfsmittelvertrag mit der IKK Classic als gekündigt. Etliche Apotheken haben sich geweigert, den neuen „Knebelverträgen“ beizutreten, das heißt, viele Versicherte müssen sich seither um Alternativen bemühen. Was eine Apothekerin besonders ärgert: „Als Vertragspartner für Spritzen gibt die IKK classic auch DocMorris an.“
Die Vertragsbedingungen sind für Inhaberinnen und Inhaber unwirtschaftlich und bergen zudem ein Retaxationsrisiko. Aus diesen und weiteren Gründen haben sich viele Apotheken gegen einen Beitritt zu neuen Einzelverträgen der IKK classic entschieden. Versicherte müssen sich um Alternativen kümmern. Welche Alternativen von der Kasse vorgeschlagen werden, ärgert Carmen Schneider, Apothekerin in der Rhein-Apotheke in Dormagen. „Gibt man in das Suchfeld Vertragspartner das Stichwort Spritzen ein, so wird auch DocMorris mit aufgelistet. Das ist doch unfassbar.“
Sie sei darüber verärgert und „todtraurig“. „Alle Welt spricht darüber, wie man das deutsche Gesundheitssystem sowie die Wirtschaft stärken muss, aber dann sollen wir die Verantwortung an niederländische Versender geben, das passt nicht zusammen“, so Schneider. Zumal sie sich nicht vorstellen kann, wie eine persönliche Beratung durch DocMorris oder auch andere Vetragspartner, die keine Apotheken sind, gewährleistet wird. „Das ist für uns ein Schlag ins Gesicht“, erklärt sie. „Unsere Patienten kommen seit Jahren zu uns, sie sind immer sehr zufrieden mit unserer Beratung und nun sollen sie plötzlich auf irgendwelche Versender vertrauen, von denen sie nichts als die Telefonnummer kennen.“
Konkret erklärt sie im Hinblick auf die Versorgung mit Kompressionsware: „Es wird behauptet die Versorgung mit Hilfsmitteln sei durch Sanitätshäuser gesichert.“ Dem sei aber ihrer Meinung nach überhaupt nicht so. „Wenn ich mir anschaue, welche Sanitätshäuser in der Vertragspartnersuche angegeben werden, dann glaube ich nicht daran.“ Denn diese seien nicht vor Ort und zudem riesengroß: „Wer soll denn da zur persönlichen Beratung nach Hause zu den Patienten kommen“, fragt Schneider.
Ebenso ein Problem: „Wir Apotheken sind geknebelt mit Dokumentationspflichten. Jedes Beratungsgespräch muss schriftlich dokumentiert werden, wir sind so bemüht, wie soll das mit den neuen Vertragspartnern funktionieren?“ Es werde alles mit Füßen getreten: „Interessant wird es dann in Zukunft auch mit akuten Fällen, wie Inhalationshilfen im Notdienst oder einer Verordnung über Blutdruckmessgeräte“, erklärt Schneider. Betroffene brauchen solche Hilfsmittel meist sofort. „Wenn ich die Diagnose Bluthochdruck bekomme, will ich auch gleich messen und nicht auf ein Paket vom Versender warten“, stellt Schneider klar.
„Ich denke manchmal, die Kassen rechnen hierbei einfach mit unserer kostenlosen Serviceleistung. Denn wer lässt seine Patienten gerne im Regen stehen“, fragt sie. „Wir bieten ohnehin einen unentgeldlichen Verleih solcher Meßgeräte an, dies wird dann wohl in Zukunft noch mehr eingefordert, was ich verstehen kann“, so Schneider.
Paradox sei auch, dass sie bisher mit der IKK classic sehr zufrieden war. „Ich kann eigentlich nur positive Rückmeldung geben zu den Leistungen der Kasse, umso mehr überrascht mich nun diese Vorgehensweise“, erklärt die Apothekerin. „Ich habe direkt bei der Kasse angerufen und nachgefragt, warum es zu solchen Einzelveträgen kam. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip war die Antwort. Würde man dieses ignorieren, stiegen widerum die Beiträge für die Versicherten an, erklärte man mir.“ Dabei ist sie sicher: „Die meisten unserer Patienten würden lieber höhere Beiträge zahlen und weiter von uns versorgt werden als von unbekannten Vertragspartnern.“
Schneider ist insgesamt enttäuscht über die Versorgungssituation. „Ich verstehe einfach nicht, dass sich zwei Parteien innerhalb eines Jahres nicht auf vernünftige Verträge einigen können. Dass der DAV und die IKK classic es nicht geschafft haben, im Sinne der Patienten eine Kompromisslösung zu finden, das ist unfassbar.“