Retax, Rabattverträge und Rezeptur

Stress in der Apotheke: Ein PTA packt aus

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Berlin -

Die Arbeit in der Apotheke ist für viele Angestellte auch eine Herzensangelegenheit. Doch der Stress nimmt zu und die Teams spüren den Druck, der auf den Betrieben lastet. Stephan Preller* ist als PTA in vielen verschiedenen Bereichen im Einsatz. Gerade die Vielfalt macht den Reiz aus, manchmal wird aber einfach alles zu viel. Besonders belastend seien Diskussionen wegen Rabattverträgen, Arzneimittelpreisen und die Angst, bei einem Hochpreiser eine Retaxation zu kassieren.

Morgens die Inventurliste, dann ab in den HV und in die Rezeptur. „Wir haben eine Aufgabenverteilung“, sagt Preller. Der 43-Jährige ist auch für Wasser- und Umweltanalytik zuständig. Diesen Service bietet die Apotheke ihrer Kundschaft an. „Ich kümmere mich gerne darum. Das ist ein Teil des Marketingkonzepts unserer Apotheke, die auch auf alternative Heilmethoden und Prävention spezialisiert ist.“ Die Zusatzaufgabe könne jedoch stressig werden, wenn viel los sei und man mit der Probe jedoch schnell in das Labor müsse. „Das stört mich dann schon.“

Hilfe vom Team

Preller ist auch für das Packen der Botenlieferungen verantwortlich. „Stress spüre ich dann, wenn ich das Gefühl habe, ich schaffe es nicht. Dann gerate ich ins Trudeln und werde nervös. Das ist ein Kreislauf, der in Gang gesetzt wird.“ Ein Ausweg sei, die Kolleg:innen um Hilfe zu fragen. „Wir sprechen offen über stressige Situationen, mir ist wichtig, dass man sich gut versteht. Die Gespräche helfen für den Moment, bei schwierigen Fällen kann man sich Rat holen.“ Doch der Personalmangel verstärke die Belastung. „Dadurch wird es noch stressiger und man muss sich um noch mehr Sachen gleichzeitig kümmern.“

Eine weitere Lösung für das Stress-Dilemma sind Überstunden. „Wenn viel los oder die Rezeptur voll ist, dann macht man einen Teil davon in der Pausenzeit.“ Seit der Übernahme der Apotheke im vergangenen Jahr sei die Mehrarbeit jedoch zurückgegangen, sagt Preller. Vor dem Inhaberwechsel machte sich der PTA naturgemäß Gedanken, wie der neue Chef den Betrieb weiterführen wird. „Er macht viele Dinge selbst und ist sich nicht zu schade, Sendungen zu bearbeiten oder Retouren zu organisieren“, lobt der PTA.

Ärger mit Rabattverträgen

Ganz oben auf der Liste der stressigen Situationen sind für den PTA die Debatten wegen Rabattverträgen. Das Traurige: „Wir haben diese Diskussionen jeden Tag. Das ist schwierig für uns, wenn sich der Kunde weigert und das Arzneimittel nicht möchte.“ Dem PTA wird in solchen Gesprächen mitunter die Kompetenz abgesprochen. „Die Kunden werden ungehalten und fragen, was ich ihnen andrehen will. Mich ärgert, dass die Krankenkassen profitieren, aber wir es für sie ausführen müssen und nichts davon haben.“

Angst vor Hochpreisern

Beim Thema Krankenkassen ist Preller beim nächsten Stressauslöser in der Apotheke. „Für mich ist es schwierig mit Rezepten umzugehen, auf denen Arzneimittel aufgeschrieben sind, die beispielsweise 20.000 Euro kosten. Ich habe Sorge, das anzunehmen und zu bestellen, und Angst, dass, wenn das Rezept weg ist, auch die 20.000 Euro weg sind.“ Die Retaxgefahr macht ihm zu schaffen. „Ich möchte nicht verantwortlich für eine Retax sein, die 5000 oder 20.000 Euro beträgt. Das kann existenzbedrohend sein.“

Der PTA kritisiert das Verhalten der Kassen. Retaxationen werden immer mehr und gerade Null-Retax seien nicht gerechtfertigt. „Wenn es einen Rabattvertrag gibt, müsste die Differenz dazu verlangt werden, das wäre noch nachvollziehbar.“ Natürlich versuche er, sich vorher abzusichern, prüft die Verordnungen mit Kolleg:innen. Und es gebe die Rezeptkontrolle. „Ganz hochpreisige Retaxationen habe ich glücklicherweise noch nicht erlebt.“

Preisdiskussionen

Nicht nur die Kassen wollen mehr sparen. Auch die Kund:innen kämen immer öfter mit Preisdiskussionen in die Apotheke. „Hier übertreffen sich die Apotheken selbst mit ihren Angeboten“, kritisiert Preller. Dann wiederum zögen andere Betriebe nach. Der Kreislauf endet damit, dass Kund:innen in der Apotheke die Schnäppchen der Mitbewerber zitierten. „Manchmal können wir es für diesen Preis gar nicht einkaufen. Es kommt vor, dass Kunden dann auch gehen. Das finde ich sehr schade und hat überhandgenommen. Es geht scheinbar nur um den Preis. Wir versuchen uns mit anderen Bereichen abzuheben.“

Bürokratie

Auch die ausufernde Bürokratie sei ein Stressfaktor. „Die Dokumentation nimmt zu, teilweise kann man im Hilfsmittelbereich die Patienten deshalb nicht sofort versorgen, weil man auf die Antwort der Krankenkasse warten muss.“ Auch in der Rezeptur sorge der Bürokratie-Wahnsinn für längere Arbeitszeiten. „Manchmal dauert die Dokumentation länger als die Rezeptur selbst.“ Demnächst will er herausfinden, was für eine „Stress-Persönlichkeit“ er hat, um mit den Situationen besser umgehen zu können. „Trotz alledem arbeite ich gerne in der öffentlichen Apotheke.“

Umfrage: Stressniveau gestiegen

Stress kann sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Das Stressniveau ist laut dem jüngsten Stada-Health-Report gestiegen. In Deutschland hadert demnach jeder Zweite mit Burnout-Sorgen oder Symptomen. 29 Prozent der Bundesbürger gaben an, ihre mentale Gesundheit habe sich seit Beginn der Pandemie verschlechtert. Besonders betroffen davon sind Frauen, vor allem jüngere Frauen unter 35 Jahren. Die selbst geschätzte Burnout-Rate ist laut der repräsentativen Umfrage mit rund 30.000 Befragten aus 15 europäischen Ländern so hoch wie nie zuvor.

* Name von der Redaktion geändert

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