Das E-Rezept hat die Art der Rezepteinlösung verändert. In den Apotheken werden im ersten Halbjahr erstmals Rückgänge bei den Packungszahlen verzeichnet. Inhaber Volker Brüning beobachtet in seinen vier Apotheken deutliche Verschiebungen. Gewinner seien Standorte mit vielen Parkplätzen, Rückgänge gebe es bei Facharztlagen. Verantwortlich dafür seien die Marketingaktionen der großen Versender, Dauerverordnungen und technische Ausfälle.
Brüning ist seit mehr als 30 Jahre selbstständig und betreibt vier Apotheken in Düren und Selm. In den ersten sechs Monaten des Jahres stellt er Verschiebungen bei den Packungszahlen innerhalb seines Verbundes fest. Gewinner seien die Standorte mit guten Parkmöglichkeiten wie etwa seine Apotheke am Kaufland. Sie verzeichneten ein Packungsplus. Brüning kann nicht klagen: Insgesamt steht für alle Betriebe ein Zuwachs von 2 Prozent unterm Strich. „In der Summe haben wir keine Rückgänge.“
Doch er führt auch Apotheken, die wegen den jüngsten Entwicklungen schlechter wegkommen. Bei reinen Facharztlagen mit schlechten Parkmöglichkeiten liege das Minus in den ersten sechs Monaten bei 3 Prozent. Die Standorte an der Klinik und in dörflicher Umgebung verzeichneten leichte Rückgänge. „Ich denke, dass auch wir einiges durch die starken Werbebemühungen der Versandapotheken verloren haben.“
Laut einer Auswertung von Zahlen von Insight Health durch Apovid liegt der Absatz im ersten Halbjahr erstmals überhaupt unter Vorjahr, und zwar 1,2 Prozent. Hier könnte auch das E-Rezept eine Rolle spielen, denn seit vergangenem Mai können die Versender dank CardLink mitspielen.
In einer anderen Apotheke in Baden-Württemberg beklagt ein kaufmännischer Angestellter sogar Rückgänge um 6 Prozent bei den Packungen und um 1,5 Prozent an Wert. Gründe dafür seien die „Jauch, Arztüberlastung und Hochpreiserexplosion“. Allerdings seien die Angaben wegen einer Umstellung der Warenwirtschaft nicht voll aussagekräftig und müssten mit Vorsicht betrachtet werden.
Für Brüning sind auch die vielen technischen Pannen ein Grund für Verschiebungen. Die jüngste TI-Störung am Mittwoch etwa habe dafür gesorgt, dass die Kundschaft am Nachmittag Schlange stehe, um nach der Problembehebung ihre Rezepte einlösen zu können. „Wie oft haben wir auch Leute wegschicken müssen, weil Rezepte nicht freigeschaltet sind oder sich erst gar keine auf den Karten befinden.“
Ein Problem sei, dass wenn es deshalb zu Online-Bestellungen komme und diese dann funktionierten, bei den Kund:innen hängen bleibe, die Vor-Ort-Apotheke sei „unfähig“, mahnt er. Zudem müssten Patient:innen nicht mehr innerhalb eines Quartals extra zum Arzt, um sich ein Rezept zu holen, sondern bekämen es direkt auf ihre elektronische Gesundheitskarte gespielt. Ebenfalls ein Grund, weshalb Apotheken in Facharztlagen das Nachsehen hätten.
Insgesamt ist Brüning mit dem Verlauf des ersten Halbjahres zufrieden: „In der Summe haben wir keine Rückgänge, weil wir das Marketing hinzu Aktionen und Online-Marketing umgestellt haben.“ Die Maßnahmen in der Print-Werbung seien „auf ein vernünftiges Maß“ reduziert worden. Gleichzeitig sei Geld mehr in Online- und Social-Media-Marketing gesteckt worden. Den jüngeren Kund:innen gehe es nicht unbedingt um den günstigsten Preis, sondern um die digitale Erreichbarkeit, man müsse diese Wege bedienen, sagt er.
Der Inhaber setzt etwa auf Netcouponing. „Wir sind preiswürdig.“ Dadurch blieben die Kund:innen vor Ort. „Durch das gute Marketing, das wir seit Jahren betreiben, sind wir eine starke Vor-Ort-Apotheke. Wir haben starke Aktionen in Beratung und Preis und so bauen wir eine Brücke zu online.“ Für die ältere Kundschaft seien Telefon und Lieferservice wichtig für die Bindung. „Ich habe schon den Eindruck, dass viele vor Ort bleiben wollen.“