Die Saniplus-Apotheken in München rechnen seit einem Jahr direkt ab: E-Rezepte über die Plattform von Scanacs, Papierrezepte über das AZ Nord. Während die Zusammenarbeit mit vielen Kassen gut funktioniert, hakt es bei der AOK Nordost. Und weil hier mittlerweile Rechnungen in größerem Umfang offen sind, werden Versicherte der Kasse vorerst nur noch auf Privatrezept versorgt. Außerdem hat Inhaberin Birgit Lauterbach bereits Klage eingereicht.
Seit einem Jahr nutzt man bei Saniplus die Möglichkeit der hybriden Abrechnung. E-Rezepte werden über die Plattform von Scanacs mit der jeweiligen Kasse direkt abgerechnet, Papierrezepte laufen über das AZ Nord. Im September 2024 wurde das Konzept zunächst mit einer Apotheke getestet, schon einen Monat später zogen die vier weiteren Apotheken der Familie nach.
Mit 90 Kassen funktioniere das Modell hervorragend, sagt Moritz Lauterbach. Der Apotheker arbeitet im Verbund seiner Mutter mit und kümmert sich federführend um das Thema Abrechnung. Nur die AOK Nordost weigere sich hartnäckig, die Rechnungen anzunehmen und zu erstatten, berichtet er. „Dabei haben wir einen gesetzlichen Anspruch darauf.“
Auch wenn das Einzugsgebiet der Kasse weit weg ist, tauchen in den Saniplus-Apotheken in München pro Monat zwei bis fünf Rezepte auf, bei denen die AOK Nordost der Kostenträger ist. In einigen Fällen handelt es sich um Zugezogene, auch Patienten auf der Durchreise haben schon entsprechende Verordnungen eingereicht.
Lauterbach weiß, dass die Kasse seit 1. August in ihrem neuen Liefervertrag keine getrennte Abrechnung von Papier- und E-Rezepten mehr akzeptiert. Aber darum geht es bei ihm bislang gar nicht. Es handele sich ausschließlich um E-Rezepte, dennoch weigere sich die Kasse hartnäckig, die eingereichten Rezepte zu bezahlen.
Die Kasse begründet ihr Vorgehen damit, dass bei der Direktabrechnung das IK des AZ Nord angegeben sei. „Wir werden die genannte Rechnung nicht bezahlen“, so die Nachricht an die Inhaberin. Stattdessen wird ihr angeboten, eine korrigierte Sammelrechnung einzureichen. Da man die bereits eingereichten Abrechnungsdaten löschen werde, liege dann auch keine Doppelabrechnung vor. Und sogar eine Fristüberschreitung werde man im Fall der Neuabrechnung tolerieren.
Doch das ist für Lauterbach kein gangbarer Weg. Einerseits habe er einen gesetzlichen Anspruch auf die Erstattung der von ihm belieferten Rezepte. Andererseits könne er sich gar nicht auf den Vorschlag der Kasse einlassen, weil er dann nach deren Logik keine Papierrezepte mehr einreichen könnte. „Diesen Kniff hat die AOK doch gerade erst in ihren Liefervertrag aufgenommen. Das ist schon frech.“ Auf dem IK herumzureiten, ist für ihn ohnehin ein fadenscheiniges Argument. „Alles, was bei der Direktabrechnung benötigt wird, ist doch die IBAN.“
Weil laut Lauterbach mittlerweile ein Betrag von einigen tausend Euro zusammengekommen ist, werden in den Apotheken jetzt bis auf Weiteres Rezepte von Versicherten der AOK Nordost nur noch privat beliefert. „Es sind ja auch höherpreisige Sachen dabei, die wir nicht einfach so auf unsere Kappe nehmen können.“ Im Zweifelsfall könne man den Patientinnen und Patienten nur anbieten, die Verordnungen als Privatrezepte abzurechnen, sodass diese sich ihr Geld dann bei ihrer Kasse selbst zurückholen müssen.

Derzeit überlege man auch, heute noch die betroffenen Kundinnen und Kunden zu kontaktieren und aktiv auf die Problematik hinzuweisen. „Wir haben uns natürlich anwaltlich abgesichert. Wenn die Kasse die Rechnungen nicht bezahlt, besteht aus unserer Sicht auch kein Kontrahierungszwang.“
Bereits im Frühjahr wurde außerdem Klage beim Sozialgericht München (SG) eingereicht. „Wir fordern die offenen Beträge inklusive Kassenabschlag“, sagt Lauterbach. Er verweist darauf, dass das Vorgehen der Kasse im Grunde eine Einschränkung der Berufsfreiheit sei. „Dass hier das Recht auf direkte Abrechnung einfach negiert wird, ist ein Skandal.“ Aus seiner Sicht gilt ohnehin nicht der Liefervertrag der AOK Nordost, sondern der der AOK Bayern, weil dort die Apotheken ihren Sitz hätten.
Den Bayerischen Apothekerverband (BAV) habe man ebenfalls um Hilfe gebeten, doch dort wollte man nach seinen Angaben nichts von der Sache wissen. „Die Verbände sollen doch alle ihre Mitglieder vertreten, also auch diejenigen, die direkt abrechnen wollen. Aber leider glänzt man dort wieder einmal durch Ohnmacht beziehungsweise Untätigkeit. Wir fühlen uns mehr als im Stich gelassen.“
Lauterbach vermutet, dass es massive Interessenkonflikte gibt; immerhin steht der BAV in sehr enger Beziehung zum standeseigenen Rechenzentrum Noventi. So aber kann es aus seiner Sicht nicht weitergehen: „Entweder die Verbände bekennen sich dazu, dass die Apotheke das Recht dazu hat, direkt abzurechnen – das steht ja im Grunde sogar im Gesetz. Oder sie müssen sich fragen lassen, ob sie wirklich die richtigen Interessenvertreter für alle Apotheken sind.“
Anders als andere Leistungserbringer hätten die Apotheken überhaupt die Möglichkeit, ihre Rezepte direkt abzurechnen – im Grunde genommen sogar täglich. „Aber dieses Recht auch wirklich nutzen zu können, dafür müssen wir gerade extrem kämpfen.“ Im Grunde habe man ein standeseigenes Problem: „In der Satzung der Verbände steht doch, dass sie die Interessen der Apotheken vertreten sollen und nicht die der Rechenzentren. Aber es geht um Posten und darum zu verschleiern, dass ihre eigenen Beteiligungen die Apotheken weiter melken. Das ist doch im Grunde eine Kleptokratie.“
Dass er sich so für die Sache einsetzt, hat aber auch einen Hintergrund: Denn seine Familie ist nicht nur Gesellschafter bei der Elac, sondern auch bei Scanacs. Der Grund, warum er sich so für die Direktabrechnung engagiert, hat auch mit der AvP-Pleite zu tun. „Damals haben Kolleginnen und Kollegen viel Geld verloren, und das Problem waren im Grunde die Abschlagszahlungen. Im Prozess wurde noch argumentiert, man hätte ja auch direkt abrechnen können. Heute will die AOK Nordost davon nichts mehr wissen.“
Lauterbach zufolge geht es um mehr Sicherheit. „Wir wollen langfristig dazu kommen, mit jeder Kasse direkt abzurechnen und unser Geld nach zehn Tagen zu bekommen. Einen Mittelsmann braucht man in Zeiten des E-Rezepts nicht mehr, da er nur ein zusätzliches Risiko ist und auch noch viel Geld kostet.“
Seiner Meinung nach könnte die Direktabrechnung im Tagesgeschäft noch viele weitere Vorteile bieten: „Ich will zum Beispiel direkt im HV wissen, ob die Kasse bezahlt oder nicht. Scanacs sei daher auch nicht nur ein Thema für große Apotheken. Unter den rund 80 Apotheken, die das System heute nutzen, seien auch viele kleinere Betriebe. „Heute schicken viele Kolleginnen und Kollegen ihre Patienten mit Hochpreisern zu uns, weil sie sie nicht vorfinanzieren können. Das müsste nicht sein. Die Direktabrechnung zu verbieten, ist gerade für solche Apotheken extrem unfair.“