Kommentar

Fast jede Apotheke zählt

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Berlin -

Schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, weniger Existenzgründer, ein überalteter Berufsstand oder schlichte Marktbereinigung – über die Gründe kann man diskutieren, der Fakt bleibt: Es gibt immer weniger Apotheken in Deutschland. 2014 ist die Zahl erneut zurückgegangen und liegt auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten. Verharmlost werden sollte die Entwicklung nicht, aber von einem Apothekensterben zu sprechen birgt ebenso Gefahren. Ein Kommentar von Julia Pradel.

Der Rückgang ist insgesamt noch nicht fatal. Dennoch lassen sich Tendenzen erkennen, die der Standesvertretung und der Politik zu denken geben sollten. Da ist zum einen die Zahl der Apothekeninhaber: Sie ist seit 2001 von 21.600 um mehr als 20 Prozent gesunken und lag 2013 bei rund 16.700 Leitern. Bei der Apobank rechnet man damit, dass es in fünf Jahren sogar nur noch rund 14.000 selbstständige Apotheker geben wird, weil die Filialisierung weitergeht und viele Apotheken schon heute wirtschaftlich uninteressant sind. Für solche – schon einmal als Buden bezeichnete – Apotheken einen Interessenten und Nachfolger zu finden, ist schon heute kaum noch möglich.

Das Problem setzt sich am anderen Ende der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit fort: Wenn immer weniger Apotheker immer mehr Apotheken besitzen, gestaltet sich die Übergabe ebenfalls schwierig – zumindest wenn kein Erbe bereitsteht. Denn welcher Pharmaziestudent, egal wie überzeugt von der Selbstständigkeit, wird sich direkt nach dem Studium vier Apotheken mit angeschlossenem Versandhandel zumuten wollen, geschweige denn leisten können? Denn auch den für die Finanzierung notwendigen Kredit zu erhalten, ist heute nicht mehr so einfach – was das Problem sowohl erklärt, als auch verschärft.

Der Rückgang bei der Zahl der Betriebsstätten darf ebenfalls nicht ignoriert werden – selbst wenn die Versorgung derzeit sichergestellt und auch auf mittelfristige Sicht nicht gefährdet ist, zumindest aus Sicht der Apobank. Dennoch: 360 Apotheker haben 2014 aufgegeben und ihr Geschäft geschlossen. Und mit jeder Schließung verlieren zahlreiche Kunden ihre Stammapotheke.

Durchschnittlich kommen auf jede Apotheke rund 4000 Menschen, und die meisten Patienten gehen regelmäßig in „ihre“ Apotheke. Dass der Verlust dieser Anlaufstelle für viele ein schwerer Schlag ist, zeigen regelmäßig Betroffenheitsberichte in den Lokalmedien, wenn in einem Ort eine oder gar die letzte Apotheke schließt.

Man kann die Vorstellung, dass Patienten immer nur in ihre Stammapotheke gehen und dort mit ihrem Apotheker sprechen, als romantischen Kitsch abtun. Doch so sieht der Versorgungsalltag vielerorts aus. Und auf genau dieser Idee basiert das System, das für seine regulatorischen Schutzzäune so oft in der Kritik steht.

Daher bleibt es trotzdem gefährlich, von einem Apothekensterben zu sprechen. Denn wenn bei der Politik der Eindruck entsteht, die Versorgung sei nicht mehr sichergestellt, könnte das Bekenntnis zur kleinteiligen Arzneimittelversorgung, zur Freiberuflichkeit und zur Universalapotheke bald weniger deutlich ausfallen. Schon heute folgen den schönen Worten nur wenig Taten, und auf eine Erhöhung ihres Honorars oder wenigstens eine jährliche Überprüfung desselben warten die Apotheker vergeblich.

Daher ist es nicht abwegig, dass – zur Sicherung der Versorgung – auch polemische Vorschläge zur Arzneimittelversorgung doch noch auf offene Ohren stoßen. Die Kassen etwa fordern immer wieder eine Abschaffung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes sowie Erleichterungen für Filialapotheken, in denen nach ihrer Vorstellung nicht einmal mehr ein Apotheker körperlich anwesend sein muss. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt zur Tele-Ketten-Supermarktpharmazie. Das wäre dann wirklich Apothekensterben.

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