Angebrochene Großpackungen

Kleinstmengen im Notdienst: „Die Kosten trage ich“

, Uhr
Berlin -

Im Notdienst werden Apothekerinnen und Apotheker oft vor besondere Herausforderungen gestellt. Immer wieder werden Kleinstmengen verordnet; dass das schnell zum Verlustgeschäft werden kann, weiß Inhaberin Andrea Wohlers aus der Sonnen-Apotheke in Eberbach bei Heidelberg.

Es kommt laut Wohlers immer wieder vor, dass Kundinnen und Kunden – gerade im Notdienst – mit Rezepten aufschlagen, auf denen kleine Mengen verordnet sind. Stichwort Entlassrezept. Oftmals handelt es sich um Präparate, die üblicherweise nur in großen Mengen als Dauermedikation vorrätig gehalten werden. Zwar bestehe die Möglichkeit, aus beispielsweise einer Hunderterpackung eine Teilmenge zu entnehmen – das ziehe aber weitere Probleme nach sich. „Ich trage dann die Kosten für die angefangene Packung“, ärgert sich die Apothekerin.

Wegschicken ist keine Option

Andrea Wohlers im Portrait (kurze graue Haare, sportlich mit roter Lederjacke)
„Ich schicke hier niemanden weg. Das ist auch im Sinne des Notdienstes eine Katastrophe.“Foto: privat

Auf Nachfrage beim Landespothekerverband (LAV) habe man ihr mitgeteilt, dass es drei Optionen gebe: die Großpackung verwerfen, weitere Teilmengen an die Kundschaft abgeben – oder den Kunden im Notdienst wegzuschicken.

Wohlers betont: „Ich schicke hier niemanden weg. Das ist auch im Sinne des Notdienstes eine Katastrophe.“ Die Begründung könne hier nicht sein: „Tut mir leid, ich habe nur eine Hunderter davon.“ Zudem sei die nächste Apotheke rund 30 Kilometer entfernt. „Wir sind auf dem Land, möglicherweise hat der Kollege das benötigte Präparat gar nicht vorrätig. Die Kosten für die angefangene Packung muss ich trotzdem tragen, die Packung ist für mich verloren – Pech gehabt.“

Zwar sei bei Notdiensten auf dem Land meist weniger los. „Aber in der Stadt sieht das vielleicht anders aus – und dann haben die Kollegen entsprechend viele Packungen, mit denen sie eigentlich nichts mehr anfangen können.“

Anbruch ist verloren

Sich für die in ihrer Apotheke gängigsten Präparate kleine Packungen an Lager zu legen, ist laut Wohlers keine Option. „Man weiß nie, was von den Praxen im Notdienst verordnet wird.“ Letztlich bliebe ihr nur, die angebrochenen Großpackungen an ihre Kundinnen und Kunden abzugeben. „Aber das kann ich nicht automatisch von meinen Kunden erwarten.“

Zwar sei ihre Kundschaft sehr verständnisvoll, „Nur irgendwann sagt dann jemand doch vielleicht: In diese Apotheke gehe ich nicht mehr, da bekomme ich nur angebrochene Packungen, das will ich nicht. Das möchte ich meinen Kunden nicht aufbürden müssen.“ Die Inhaberin stellt klar: „Ich mache gerne Notdienst, aber die Waren derart zu verschenken, das geht nicht.“

Teilmenge abrechnen

Laut LAV ist der Sachverhalt eindeutig: „Angenommen, ein Kunde kommt im Notdienst mit einer Verordnung über 20 Tabletten in die Apotheke, hier ist aber nur die Hunderterschachtel vorrätig. Gemäß des ALBVVG ist eine Teilmengenabgabe zulässig.“ In diesem Fall öffnet der Apotheker die große Packung, entnimmt 20 Tabletten, legt den Beipackzettel bei und gibt dem Patienten die verordnete Menge. „Dabei berechnet er der Krankenkasse nur die 20er-Packung – obwohl er die 100er-Packung angebrochen hat. Die bucht er auch via Securpharm aus – und damit ist die Versorgung abgeschlossen.“

Unklar bleibe allerdings, was danach mit der restlichen Packung geschehe. „Diese Packung ist keineswegs mehr abgabefähig“, betont der LAV. Sie dürfe weder mit einer nachgelieferten Packung aufgrund möglicher Chargenvermischung aufgefüllt werden, noch dürfe die Nachlieferung – beispielsweise mit einem Gummiband – an die angebrochene Schachtel geheftet werden, um dann wieder auf die Ursprungsmenge zu kommen. „Die Hunderterpackung hat einen Anbruch gehabt, die Abrechnung erfolgt auf Basis der abgegebenen Teilmenge.“

Sollte ein weiterer Kunde ebenfalls eine Kleinstmenge benötigen, könne diese aus der offenen Packung entnommen werden, „ansonsten ist die Packung nicht mehr abgabefähig“.

Bei preiswerten Medikamenten sei das Vorgehen vielleicht noch zu verschmerzen, so Wohlers. „Aber was, wenn es hier um ein hochpreisiges Arzneimittel geht, was mache ich dann? Ich finde, das ist eine ganz unbefriedigende Situation.“

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema