Auch wenn der Rx-Anteil des Versandhandels noch gering ist, steigt er von Quartal zu Quartal weiter an. Das spüren auch die Inhaberinnen und Inhaber vor Ort. Jörn Graé stellt zusehends fest, dass immer mehr seiner Stammkundinnen und -kunden in den Versand abwanderten. Der 35 Jahre alte Inhaber ist alarmiert und überlegt die nächsten Schritte.
Seit sechs Jahren ist Graé selbstständig. Aktuell führt er die Sixtus Apotheke in Haltern am See. Einst träumte er davon, einmal vier Betriebe zu leiten. „Doch davon bin ich sehr weit entfernt“, sagt er. Seine Filiale verkaufte er unlängst, unter anderem weil die Situation der Apotheken mit Blick auf die Politik zu unsicher war.
Den Preis- und Werbedruck der Versandapotheken – insbesondere von Konzernen wie Redcare oder DocMorris – spürt Graé immer öfter. Beim Auslesen der elektronischen Patientenakten (ePA) musste er zuletzt vermehrt feststellen, dass immer mehr Kundinnen und Kunden in der Versandapotheke bestellen. „Es geht vor allem um Stammkundschaft“, sagt er. „Sie waren das letzte Mal vor einem halben Jahr hier und hätten vor drei Monaten wieder hier sein sollen. Dann schaue ich rein und sehe in der Historie, dass sie die Dauermedikation beim Versender bestellt haben.“
Auch die konkrete Versandapotheke kann Graé sehen. „Es sind nicht immer Shop Apotheke oder DocMorris, sondern auch Anbieter, von denen ich zuvor noch nichts gehört habe.“ Auch die Kundschaft, die nicht mehr bei ihm bestelle, könne nicht einer bestimmten Gruppe zugewiesen werden: „Sie kommen aus allen Schichten, jedes Alter. Es ist nicht der internetaffine Kunde, der Standard-Kunde wandert ab.“
Vor allem Chroniker seien betroffen. Die Akutmedikation werde weiterhin vor Ort nachgefragt. Bei der Dauermedikation kämen die betroffenen Kundinnen und Kunden noch in die stationäre Apotheke, wenn sie ein kühlpflichtiges Arzneimittel benötigten oder die Arztpraxis um die Ecke sei.
Die Kundschaft hat der Inhaber noch nicht darauf angesprochen. „Ich weiß nicht, wie ich es machen soll. Die erste Rückfrage würde sein, woher ich das weiß.“ Graé will die Kundschaft nicht in die Ecke drängen oder sie wegen des Onlinekaufs verurteilen. „Ich bin ja froh, dass sie wieder zu uns kommen. Ich will da kein Fass aufmachen.“ Ihm gehe es vielmehr darum zu erfahren, warum sie nicht immer vor Ort kauften.
Deshalb überlegt der Inhaber, indirekt das Problem zu ergründen. „Vielleicht fangen wir an zu fragen, was wir als Apotheke besser machen könnten und wie zufrieden die Kunden mit unserer Leistung sind.“