„Angeblich nicht übermittelt“

Hochpreiser: 3500-Euro-Retax wegen fehlender Charge

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Berlin -

Inhaber Deniz Buchholz aus der Igel Apotheke in Erlangen staunte nicht schlecht, als ihn ein Jahr nach der Abgabe eine Retax über zwei Packungen Prograf 5 mg N3 (Tacrolimus, Orifarm) erreichte. „Uns wurden rund 3500 Euro voll retaxiert, weil eine Charge angeblich nicht übermittelt wurde. Dabei war für das Jahr 2024 eine Friedenspflicht vereinbart“, ärgert er sich. Nach Rücksprache mit dem Bayerischen Apothekerverband (BAV) wird schnell klar: Das ist kein Einzelfall.

Seine Patientin versorgte Buchholz Anfang September 2024 mit dem Hochpreiser. Rund ein Jahr später kommt nun die Retaxierung aufgrund einer fehlenden Charge vom Krankenkassendienstleister SpectrumK. Der Inhaber war zunächst perplex. „Es hieß, dass es eine Friedenspflicht für ein Jahr gebe – aber anscheinend gibt es sie doch nicht. Ich habe mir damals vom Verband Brief und Siegel geben lassen, dass man wegen einer fehlenden Charge nicht retaxiert werden kann.“

Retax trotz lückenloser Dokumentation

Die Charge hatte Buchholz via Securpharm übertragen – das geschehe schließlich automatisch beim Ausscannen. „In unserem Kassenprogramm kann man genau diese Belieferung der versicherten Person und Charge auch heute noch nachvollziehen.“ Davon habe er einen Screenshot gemacht – ob SpectrumK dies akzeptiere, wisse er nicht. „Es ist quasi mein einziger Strohhalm“, beklagt der Inhaber.

Dennoch scheint die Charge nicht korrekt übermittelt worden zu sein. „Die Software ist nicht widerstandsfähig, es schleichen sich immer wieder Fehler ein. Aber einen solchen Formfehler zu retaxieren, spricht Bände.“

Seine Retaxationen gibt Buchholz stets in die Hände der Rechtsabteilung des BAV. „Als ich dort anrief und begann, meinen Fall zu schildern, wurde ich direkt nach SpectrumK gefragt. Es melden sich aktuell viele Apotheken wegen ähnlicher Hochpreiserretaxen wie meiner“, berichtet der Inhaber.

Der Verband bestätigt dies: „In den uns vorliegenden Fällen wurde die Chargenbezeichnung durch die Apotheken bei der Abgabe des Arzneimittels nicht an den Kostenträger/Krankenkasse übermittelt. Dies ist unseres Erachtens allerdings kein Retaxationsgrund.“ Begründet wird dies damit, dass die Übermittlung der Charge laut § 2, Anlage 9 des Rahmenvertrags nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB V) ausschließlich dem Zweck dient, den Erstattungsanspruch der Krankenkassen nach § 131a Abs. 1 SGB V gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer geltend zu machen.

Fehler „unbedeutend“

„In den uns bekannten Fällen wurde ein entsprechender Erstattungsanspruch seitens der Krankenkasse nicht geltend gemacht. Durch eine fehlende Chargenübermittlung bei der Abrechnung eines E-Rezeptes ist auch die Arzneimittelsicherheit für die Versicherten nicht gefährdet.“ Es handelt sich nach Einschätzung des Verbands „um einen unbedeutenden, die Arzneimittelsicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht wesentlich tangierenden Fehler, welcher einen Vergütungsanspruch der Apotheke nicht entfallen lässt“.

Der Verband berät seine Mitglieder, legt Einspruch ein und konnte in einigen Fällen eine Rücknahme der Retaxation erreichen. „In Fällen, in denen der Einspruch trotz Nachreichung der Chargenbezeichnung durch SpectrumK nicht anerkannt wurde, nehmen wir direkten Kontakt mit den Krankenkassen als Dienstleistungsnehmer von SpectrumK auf“, betont der BAV.

Im Gespräch habe Buchholz erfahren, dass geprüft werde, „ob es sich um eine Anweisung der Kasse handle oder ob sich SpectrumK das Ganze ausgedacht hat.“ Der BAV erklärt: „Ob eine explizite Anweisung/Vorgabe der Krankenkassen an SpectrumK vorliegt, entzieht sich unserer Kenntnis.“

SpectrumK antwortet auf Nachfrage: „Als Dienstleister der gesetzlichen Krankenkassen handeln wir stets entsprechend der gesetzlichen Vorgaben.“ Bei Retaxierungen wegen fehlender Chargen handele man „auf der gesetzlichen Grundlage der Arzneimittelabrechnungsvereinbarung gemäß § 300 Absatz 3 SGB V, § 2 Abgabedatensatz“. Immerhin: Für den Fall systemseitiger Übertragungsfehler verweist SpectrumK darauf, dass ein rechtskonformer Nachweis zur Anerkennung führe: Im Einspruchsverfahren könnten Leistungserbringer „einen versichertenbezogenen Chargen-Nachweis erbringen, daraus folgend können wir Einsprüche anerkennen“.

„Schaden entsteht nur uns“

Wäre es ein Papierrezept gewesen, wäre es zu 100 Prozent durchgegangen, ist sich der Apotheker sicher. „Der Kasse ist kein Schaden entstanden, dem Patienten ist kein Schaden entstanden, niemandem ist ein Schaden entstanden. Nur uns entsteht jetzt im Nachhinein einer, und das ist wirklich eine Frechheit.“

Für Buchholz steht eins außer Frage: „Da versucht jemand, sich Geld zu ergaunern. Das Vorgehen ist weder nachvollziehbar, noch hat es etwas mit Patientenwohl zu tun.“ In seiner Apotheke werden Hochpreiser gewissenhaft kontrolliert, dennoch fürchtet Buchholz weitere Beanstandungen. „Wenn jetzt die Charge nicht bei der Krankenkasse ankommt, was kann ich dann machen? Soll ich jedes Mal bei der Kasse anrufen und fragen, ob die Charge auch wirklich übertragen wurde?“

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