Viele schlaflose Nächte liegen hinter Rudolph Jeschke*. Der 55-jährige Inhaber von mittlerweile noch zwei Apotheken ist insolvent. In die finanzielle Schieflage geriet er unter anderem, weil plötzlich Beträge im sechsstelligen Bereich fehlten – weder er noch sein Steuerberater hatten ein Auge darauf. Seinen Verdacht, dass es einen Betrugsfall im Team gab, konnte er nicht beweisen. „Irgendwann im September soll das Verfahren beendet sein“, hofft er.
Jeschke ist ein Kämpfertyp – das bewies der Apotheker, der seit 2002 selbstständig ist, bereits nach der Übernahme seiner beiden Filialen in 2013 und 2015. Er spezialisierte sich unter anderem auf die HIV-Versorgung. Doch nur kurze Zeit später schloss die Ambulanz in der Klinik. „Mir fehlte über Nacht ein Umsatz von 1,5 Millionen Euro“, erinnert er sich. „Ich habe die Lücke durch Heimversorgung kompensiert und auch Verblisterung selbst angeboten.“
Vor der Pandemie war sein Betrieb wieder im Plus und der Inhaber selbst zuversichtlich. Auch wenn die Corona-Zeit nicht einfach gewesen sei, habe die Heimversorgung sichere Erlöse gebracht, sagt er. „Ich war wieder im grünen Bereich.“ Doch im November und Dezember 2022 fehlten immer wieder Beträge. „Ich habe das leider zu spät bemerkt. Etwas stimmte nicht mit dem Wareneinsatz und ich vermutete, dass jemand ins Lager greift.“
Insgesamt hätten Beträge im sechsstelligen Bereich gefehlt. „Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt sehr auf die anderen Apotheken konzentriert. Als ich hellhörig wurde, war es schon zu spät.“ Die hohe Summe sei schnell zusammengekommen, da unter anderem Hämophilie-Präparate dazu gehörten. „Es war dann leider schnell so, dass das Geld vom Rechenzentrum nicht mehr für den Großhandel reichte.“ Jeschke machte sich selbst Vorwürfe: „Ich habe das Controlling vernachlässigt, weil ich mich auf die Heimversorgung fokussiert habe. Sonst wäre mir das früher aufgefallen.“
Sein Verdacht, von einem Mitarbeitenden betrogen worden zu sein, konnte er nicht beweisen. Auch auf Rücksprache mit seiner Filialleitung kam er zu keinem Ergebnis. Doch auffällig sei gewesen, dass nach dem Austritt der verdächtigten Mitarbeiterin die Bilanz wieder gestimmt hätte. Dennoch musste er im Februar 2023 Insolvenz anmelden. Gleich darauf verlor er mit Gehe seinen Hauptlieferanten. „Sie waren stur und haben sich auf nichts eingelassen.“ Hilfe sei von einem Privatgroßhändler gekommen, der ihn seitdem als Hauptlieferant mit Ware versorgt.
Trotz des gestiegenen Kassenabschlags habe sich die finanzielle Lage im Anschluss verbessert. „Ich konnte niemandem etwas beweisen.“ Zur Misere sei dazu gekommen, dass wegen falsch verbuchter Beträge durch einen Steuerberater seine Konten gepfändet worden seien. „Das war Ende 2023, ich habe gedacht, dass es jetzt zu Ende ist. Wenn zu Hause plötzlich der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, ist das kein gutes Gefühl.“
Als kurz darauf noch eine unbegründete Retax von fast 100.000 Euro von der AOK Nordost sofort abgezogen worden sei, stieg die Anspannung weiter. Jeschke ist dankbar, dass dank der Unterstützung des Verbands und der guten Zusammenarbeit mit seinem Lieferanten der Betrieb nicht zum Erliegen gekommen sei. „Es ist kaum zu glauben, was bei den Kassen für eine Macht vorhanden ist. Das Geld kam kurz vor Weihnachten wieder.“
Wegen Streitigkeiten zwischen den Lieferanten über Rezeptgelder konnte der Inhaber seinen Insolvenzplan erst jetzt einreichen. Von den drei Apotheken sind noch zwei Betriebe übrig, die Heimversorgung mit rund 800 Seniorinnen und Senioren läuft weiter und Jeschke ist zuversichtlich. „Ich habe die Schulden von 2,9 Millionen Euro auf 1,9 Millionen Euro reduziert. Jetzt muss man weiterschauen.“ Auch wenn es in der finanziell unsicheren Zeit Abgänge im Team gab, sei er jetzt mit 25 Angestellten guter Dinge. In wenigen Wochen soll über den Insolvenzplan abgestimmt werden. Dann dürfte Jeschke es geschafft und auch diesen Kampf gewonnen haben.
* Name von der Redaktion geändert