Als im Mai der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zwei OHG-Apothekern aus Traunstein/Chieming erlaubte, die Leitung von Haupt- und Filialapotheke untereinander aufzuteilen, schien das Urteil zunächst nur für Spezialisten interessant. Umso erstaunlicher war die Vehemenz, mit der der Freistaat auf das „Unterordnungsverhältnis“ pochte. Mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) könnte das Thema eine ganz neue Dimension bekommen: Mit seinen derzeitigen Plänen zu Filialapotheken droht Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Markt in eine „OHG-Falle“ zu manövrieren.
Ob Rezeptur, Labor oder Notdienst – für Filialapotheken soll es laut Referentenentwurf deutliche Erleichterungen geben. Das Vorhaben läuft unter dem Motto „Bürokratieabbau“ und soll finanzielle Entlastungen für Filialverbünde bringen. Bei der ABDA stoßen die Pläne auf massive Kritik – mittlerweile ist in der Jägerstraße von „Pseudoapotheken“ die Rede.
Sollte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei seinem Kurs bleiben, wird so mancher Apotheker die neuen Möglichkeiten nutzen. Für die Politik könnte das zum Eigentor werden – gerade wegen des Urteils aus Bayern: Wenn OHG-Gesellschafter Filialleiter sein dürfen, könnte es für Apothekeninhaber interessant werden, ihr Geschäft zusammenzulegen. Drei Einzelapotheken ließen sich so in Light-Filialen umwandeln.
Zwar brauchen alle Gesellschafter einer Apotheker-OHG oder -GbR eine individuelle Betriebserlaubnis – die Obergrenze von einer Haupt- und drei Filialapotheken bestünde also auch bei einer solchen Zweckgemeinschaft. Die Apothekenlandschaft – und damit die Versorgungsdichte – könnte sich trotzdem nachhaltig verändern: Im Extremfall blieben von den knapp 21.500 Betriebsstätten noch 5375 Vollapotheken mit Notdienst, Rezeptur und Labor übrig.
Utopisch ist dieses Szenario nicht: Nach ABDA-Zahlen gab es Ende vergangenen Jahres 17.063 Haupt- und 3478 Filialapotheken. Oder anders ausgedrückt: Auch ohne Erleichterungen werden heute 71 Prozent aller Betriebsstätten als Einzelapotheke betrieben, knapp 13 Prozent sind Haupt- und 16 Prozent Filialapotheken. Insgesamt sind knapp 29 Prozent aller Apotheken in Filialverbünden organisiert: 19 Prozent in 2er-Gruppen, 7 Prozent in 3er- und 3 Prozent in 4er-Strukturen.
Im Verfahren in Bayern hatte die Landesanwaltschaft vor einer Aushöhlung des beschränkten Mehrbesitzverbots gewarnt: Durch die Übernahme der Filialleitung durch OHG-Gesellschafter entstünden de facto gleichberechtigte Hauptapotheken. Mit Filialprivilegien, wird man nach ApBetrO hinzufügen müssen.
Das Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist jedenfalls rechtskräftig; Revision beim Bundesverwaltungsgericht wurde nicht eingelegt. Stattdessen bemüht sich der Freistaat jetzt um eine Änderung des Apothekengesetzes. Das wiederum könnte in Berlin gut angekommen: Schließlich geht es um Erleichterungen für Filial- und nicht für Zweckverbünde.
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