Die durch Drogenabhängigkeit ausgelösten Todesfälle steigen stetig an; der 12. Alternative Drogen- und Suchtbericht zeigt dies eindrücklich. Der Bericht fordert eine neue Strategie im Umgang mit zunehmenden Herausforderungen im Drogenbereich. Heute sollte die Eröffnung des ersten Cannabisfachgeschäftes gefeiert werden. „Es scheitert an abgelehnten Anträgen“, erklärt Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe. Zumindest ein Showroom wurde aufgebaut: „So undramatisch könnte ein solches Fachgeschäft tatsächlich aussehen“, sagt Professor Dr. Heino Stöver, Vorstandsmitglied im akzept-Bundesverband.
Wer sich die aktuelle Situation in Deutschland im Hinblick auf den Drogenkonsum anschaue, müsse beunruhigt sein: „Crack führt zunehmend zur Verelendung von Drogen konsumierenden Menschen. Synthetische Opioide sind eine wachsende Gefahr“, betonte Wicht. Auch die mangelhafte Regulierung des Alkohol- und Tabakmarktes gefährde die öffentliche Gesundheit, bekräftigt Stöver. „Deshalb braucht es dringend lizensierte Cannabis-Fachgeschäfte“, pläderte er.
Der Sucht- und Drogenbericht zeige, wie dramatisch schlecht Deutschland dastehe. „Jedes Jahr wird eine mittlere Großstadt durch den Konsum dieser Gesellschaftsdrogen ausradiert“, erklärte Stöver. Die Tabak- und Alkoholkontrolle sei ohne jegliche Konsistenz. „Hier fehlt die gemeinsame Vision.“ Der Konsum dieser Drogen werde toleriert, genauso wie die organisierte Kriminalität auf dem Schwarzmarkt. „Ein Cannabisfachgeschäft kann helfen, zu regulieren.“
Aktuell scheitert der Start des Modellprojekts in Berlin-Mitte jedoch an Ablehnungen durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). „Es ist ein herber Rückschlag, dass dieses Projekt abgelehnt wurde. Fortschritte in der Drogenpolitik wie die Teil-Legalisierung von Cannabis erfahren derweil Rückschläge“, ärgert er sich. „Obwohl bereits positive Auswirkungen des Gesetzes nachweisbar sind, wie der Rückgang von Kriminalität und illegalem Handel.“
Das Fatale: „Etwa fünf Millionen Konsument:innen sind entweder auf Eigenanbau oder den Schwarzmarkt angewiesen“, erklärte Stöver. Zunächst wurde heute deshalb nur ein „Showroom“ gezeigt. „Nach Schweizer Vorbild haben wir den Raum eingerichtet, um zu zeigen, wie es aussehen könnte.“
Um die Eröffnung realisieren zu können, müsse man jetzt in den Widerspruch der abgelehnten Anträge gehen. „Diesen gibt es bereits von mehreren Kolleginnen und Kollegen.“ Mit dem Showroom wolle man zeigen, wie undramatisch ein derartiger Raum sein kann.
Transparenz, Beratung und Sauberkeit seien hier die Stichworte. „Die steigende Zahl der Drogentodesfälle und der HIV-Infektionen, die Verelendung durch Crack und die drohende Verbreitung von Fentanyl, Nitazenen und Co. sowie der anhaltend starke Konsum bei den Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin machen deutlich: Deutschland braucht dringend eine neue Strategie im Umgang mit Drogen“, erläuterte Maria Kuban, Leiterin des Projekts so-par (Synthetic Opioids Prepare and Response) bei der Deutschen Aidshilfe. Das Projekt diene der Vorbereitung von Städten auf synthetische Opioide, indem Lösungen zum Umgang mit der zunehmenden Verbreitung entwickelt werden.
„Wer den Schwarzmarkt wirklich zurückdrängen will, muss legale, kontrollierte und attraktive Zugänge schaffen – so, wie es andere Länder, zum Beispiel die Schweiz, längst erfolgreich vormachen“, ergänzte Stöver. „Statt über wissenschaftlich fundierte Modellprojekte weitere Erkenntnisse zu gewinnen, wird auf politische Symbolik gesetzt. Eine vertane Chance, Sicherheit zu schaffen und Konsumierende zu schützen.“