Fehlentscheidungen und falsche Finanzierung

Insolvenz wegen E-Rezept: 40 Prozent Umsatzrückgang

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Berlin -

Die fehlende Anpassung des Honorars bei gleichzeitiger Kostensteigerung treibt immer mehr Apotheken in finanzielle Schieflage. Auch die Einführung des E-Rezepts hat viele Inhaberinnen und Inhaber hart getroffen – mit teils drastischen Umsatzeinbrüchen. „Seit zwei Jahren ist die Schere noch weiter auseinandergegangen und die wirtschaftliche Lage hat sich weiter zugespitzt“, warnt Rechtsanwalt Marco Dohmen.

Insolvenzberater und Fachanwälte mahnen immer wieder, dass sich Apothekerinnen und Apotheker mit finanziellen Problemen zu spät der Realität stellen, die Krise annehmen und handeln. „Uns erreichen momentan sehr viele Anfragen“, sagt Dohmen, der aktuell 18 Inhaberinnen und Inhaber mit Insolvenzen betreut. „Wir wollen Insolvenzen vermeiden, aber leider kommen die Betroffenen oft zu spät. Dann sind die Großhandelsrechnungen schon geplatzt.“

Je früher man sich Hilfe suche, umso einfacher könne man sich außergerichtlich einigen. „Wir haben für einen Apotheker im Rheinland gerade einen Vergleich mit der seiner Bank ausgehandelt: Diese hat zugesagt, auf 800.000 Euro zu verzichten.“

Seit zwei Jahren sei die Schere noch weiter auseinandergegangen und die wirtschaftliche Lage habe sich weiter zugespitzt. „Die Kosten sind nach oben gegangen, aber die Einnahmen bestenfalls gleichgeblieben. Mit dem Zuwachs bei Hochpreisern sinkt die Marge weiter. Das ist für keine Apotheke gut.“

Gemeinsam mit Dohmen betreut Peter Herrmann strauchelnde Betriebe. „Ich fahre zu Apotheken, schaue mir genau die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen an und entscheide, wie wir ihnen helfen können“, sagt der Betriebswirt, der zuvor knapp 20 Jahre für Noventi tätig war. „Natürlich sind letztlich die Inhaber verantwortlich für ihre wirtschaftliche Situation, da sie nicht richtig und rechtzeitig reagiert haben.“

Falsche Finanzierungen

Doch man müsse differenzieren: „Oft führen Fehlentscheidungen wie eine falsche Finanzierung, die nicht richtig von der Bank geprüft wurde, eine Filialisierung, die schlecht gelaufen ist, oder andere kaufmännische Fehlentscheidungen in die Insolvenz.“ Auch die Einführung des E-Rezepts habe viele Inhaber wirtschaftlich schwer getroffen: „Wir haben bei manchen Apotheken Umsatzrückgänge im Rx-Bereich von bis zu 40 Prozent. Es trifft vor allem Betriebe in Ärztehäusern stark, wenn die Signatur nicht sofort gesetzt wird. Der Standortvorteil ist dann nicht mehr gegeben. Dafür verzeichnen Apotheken in Vorstädten mehr Umsatz.“

Die neuen technischen Vorgaben können auch von anderer Seite her Probleme bereiten. „Wir merken auch, dass die Schwierigkeiten beim E-Rezept oder Softwareprobleme hinter den Liquiditätsproblemen stecken. Wir hatten einen Fall, da wurde ein Update nicht ordnungsgemäß ausgeführt und innerhalb von sechs Monaten wurden 300.000 Euro Rezeptgelder nicht abgerechnet“, sagt Herrmann. In diesem Fall habe sich der Großhändler gemeldet und gewarnt: „Wir sollen hinfahren, bevor sie dort ausräumen. Der Apotheker war bereits im höheren Alter und hat es technisch nicht verstanden und wäre deshalb fast in die Pleite geraten.“ Die falsche Einstellung sei im Anschluss gefunden und die Insolvenz verhindert worden.

Beziehung zu Großhändlern

Wichtig bei der Betreuung von Apothekerinnen und Apothekern in finanzieller Schieflage seien die Lieferanten: „Wir haben gute Beziehungen zu allen Großhändlern. Unsere erste Aufgabe ist dafür zu sorgen, dass die Ware dableibt und die Lieferverträge weiter bestehen. Auch nach Beendigung der Insolvenz begleiten wir den Apotheker häufig auf Wunsch noch weiter.“ Der Markt stehe aktuell massiv unter Druck, sagt Dohmen. „Wir stellen fest, dass nunmehr auch Teile des Rx-Umsatzes abwandern. Die Apotheken fühlen sich hier zu Recht alleine gelassen.“

Der Fachanwalt für Insolvenzrecht will den Betroffenen Mut machen: „Unser Anspruch ist es, dem Apotheker wieder eine Perspektive zu geben und den Standort, also die Einnahmequelle des Apothekers zu erhalten.“ Ziel sei es, in einem Jahr mit der Insolvenz durch zu sein. Doch dies gelinge nicht immer: „Problematisch kann es werden, weil das Privatvermögen also auch Immobilien mit dranhängen. Diese Finanzierung muss man auch hinbekommen, oft regeln wir das über die Familie.“

Generell stelle sich bei der Prüfung heraus, dass viele Apothekenstandorte an sich wirtschaftlich gesund seien. „Aber es kommt beispielsweise nicht genug Geld rein, um die Tilgung und die Zinsen der finanzierenden Bank zu decken“, sagt Dohmen. „Mit einem Insolvenzverfahren kann man alte Zöpfe abschneiden, wenn man diese wegnimmt, funktioniert die Apotheke wieder.“

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