Um das Gesundheitswesen resilient und krisenfest zu machen, dürfe man nicht nur im Großen denken, sondern brauche auch Vor-Ort-Anlaufstellen, erklärte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auf der Gesundheitswirtschaftskonferenz des SPD Wirtschaftsforums.
„Ich glaube, unser Vorteil war, dass wir während der Coronakrise sehr, sehr kleinteilig organisiert waren, dass wir in den Landkreisen Verantwortliche haben, die Dinge gut regeln konnten, dass wir ein gutes Netz an Hausärztinnen, an Fachärzten und auch die Apotheke haben, die dann Arzneimittel ausgeben.“
Das gehöre zur Resilienz dazu, dass vor Ort, direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern, Strukturen aufrechterhalten werden, um in Krisenfällen auch vor Ort helfen zu können. Das heiße: Die Apotheke, die da sein müsse, der Arzt, der da sein müsse, das Gesundheitsamt der Landkreise. „Und dass alle Akteure da gut zusammenarbeiten“, fügte sie an. Es sei dann Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die Strukturen vorhanden sind.
„Man ist nie wirklich immer auf alles vorbereitet“, so Warken. Am Ende des Tages brauche man eine gute Struktur insgesamt, um auf das, was an Eventualität kommen könnte, auch reagieren zu können.
„Die Gesundheitswirtschaft ist eine der tragenden Säulen unseres Wirtschaftsstandorts“, so Warken. Sie sei in ihrer Gesamtwirtschaftlichkeit ein Zugpferd für den Wohlstand. Eine starke Gesundheitswirtschaft sichere die Versorgung der Menschen.
Das übergeordnete Ziel der Regierungsparteien sei es, die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Hand in Hand mit Maßnahmen, die die Gesamtwirtschaft in Schwung bringen sollen, brauche es auch ein „Update des Sozialstaats“ und „tiefgreifende Reformen“ – auch im Gesundheitswesen –, um hier „das Leistungsversprechen sicherzustellen“, erklärte die Ministerin. Deshalb müsse man Gesundheit und Pflege auch bezahlbar halten.
Kurzfristig sei das Ziel, die Beiträge stabil zu halten. „Wir brauchen aber nicht nur kurzfristige Lösungen, sondern auch mittel- und langfristige Lösungen“, so Warken, denn nur wenn das System bezahlbar bleibe, sei es auch zukunftsfest.
Die Kommission werde erste Ergebnisse zu Maßnahmen im März vorlegen. Dabei gebe es keine Denkverbote – alles werde auf den Prüfstand gestellt. Das Gleiche gelte für die Pflege. Auch hier habe es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegeben, die gestern ihren Zwischenbericht vorgelegt hat. Es sei gut, die Länder und Kommunen schon mit am Tisch zu haben, da Ideen offen ausgetauscht würden. Die Arbeitsgruppe werde ihre Arbeit im Dezember abschließen. In beiden Systemen müsse man besser und effizienter werden, betonte Warken.
Auch das Krankenhausreform-Anpassungsgesetz sei ein wichtiger Schritt gewesen, um den Ländern mehr Freiheit und mehr Zeit für die Planung zu geben. Es werde Strukturveränderungen geben, Schließungen und Zusammenlegungen; dennoch müsse auch sichergestellt sein: „Ein Gesundheitssystem braucht auch in der Fläche eine verlässliche Versorgung“, erklärte Warken.
Die Arzneimittelversorgung sei ebenfalls ein wichtiger Bereich, wenn es um Resilienz und Vorsorge gehe. Als Koalition habe man sich darauf verständigt, die Pharmaindustrie als Leitindustrie zu behandeln. Man habe sich das ambitionierte Ziel gesetzt, Deutschland solle zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort werden. Man brauche hier bessere Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie. Daher werde bald der neue Pharmadialog starten, um eine neue Pharmastrategie und tragfähige Lösungen in Deutschland und Europa zu erarbeiten.
Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie fragil die Lieferketten seien. Deutschland und Europa müssten hier unabhängiger werden. Man müsse mehr Anreize schaffen, die zur Ansiedlung von Unternehmen in Deutschland, aber vor allem in Europa führen. Die Ministerin verwies auch auf den Critical Medical Act.
Eine innovative Gesundheitswirtschaft und die digitale Transformation des Gesundheitswesens seien wichtig. Vieles sei bereits auf den Weg gebracht worden, so Warken. Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) sei zentral. Nun müsse sichergestellt werden, dass die ePA auch gut laufe. Man müsse auch die Telematikinfrastruktur (TI) besser bündeln und die Leistungsfähigkeit gewährleisten. Auch KI müsse noch in dieser Legislaturperiode mitgedacht werden.
Durch die ePA könnten Doppeluntersuchungen und unerwünschte Wechselwirkungen vermieden werden. Angesichts der Konkurrenz von privaten Anbietern stünden Vertrauen und Benutzerfreundlichkeit im Mittelpunkt, betonte die Ministerin. Auch das Forschungsdatenzentrum sei ein Meilenstein für Forschung, Entwicklung und Innovation. Man dürfe nicht immer nur Datenschutz, sondern auch über Datenschatz reden, erklärte Warken.
Der zivile Gesundheitsschutz sei zentral. Erfahrungen aus der Ukraine zeigten, dass dem Gesundheitswesen auch im militärischen Fall eine besondere Bedeutung zukomme – nicht nur in der Verwundetenversorgung, sondern auch in der mentalen Versorgung.
„Wahrscheinlich sind wir da nie am Ende und es werden immer wieder neue Herausforderungen auf uns zukommen“, so die Ministerin. Aber wenn die bereits geplanten Vorhaben zur nachhaltigen Finanzierung und die Strukturreformen in der Pflege, in den Apotheken und das angekündigte Gesundheitssicherstellungsgesetz, für das im Januar der Referentenentwurf vorliegen solle, umgesetzt würden, „dann glaube ich, sind wir sehr, sehr viel weiter“.
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