Klage gegen Bundesbank

Versorgungswerke verweigern Auskunft – EuGH muss entscheiden

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Berlin -

Die berufsständischen Versorgungswerke gehören – zusammen mit anderen Altersvorsorgeeinrichtungen – zu den wichtigen Playern in der Finanzwirtschaft. Die Europäische Zentralbank (EZB) will ihnen daher genauer auf die Finger schauen, doch in Bayern und Sachsen gibt es noch Widerstand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) könnte sie demnächst zu mehr Transparenz verpflichten.

Mit der EU-Verordnung 2018/231 wurden Altersvorsorgeeinrichtungen verpflichtet, statistische Daten an die Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets zu übermitteln. Auf diese Weise will sich die EZB genauere Informationen über deren Rolle im Mechanismus zur Transmission der Geldpolitik verschaffen.

Denn die Branche gilt laut EZB nicht nur im Hinblick auf das Anlagevermögen als einer der wichtigsten Teilsektoren am Finanzmarkt, sondern wegen des wachsenden Bewusstseins über die finanziellen Auswirkungen der höheren Lebenserwartung sowie die Tendenz zu privat finanzierter Altersvorsorge auch als Wachstumszeig. Außerdem managten die Einrichtungen ihr Portfolio viel aktiver als früher, was ihre Bedeutung für die Geldpolitik weiter vergrößert habe.

Nicht erfasst von der Regelung ist dagegen der Teilsektor „Sozialversicherung“. Genau darauf beriefen sich sechs Versorgungswerke aus Bayern und Sachsen, darunter auch die Apothekerversorgung, als die Bundesbank sie im September 2018 dazu aufforderte, vierteljährlich bestimmte Daten über ihre finanziellen Verhältnisse zu übermitteln.

Vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt forderten die Versorgungswerke die Aufhebung der sie betreffenden Mitteilungen beziehungsweise die Feststellung dazu, dass sie nicht berichtspflichtig seien. Das Verwaltungsgericht Frankfurt wies die Klage im November 2021 ab: Als Altersvorsorgeeinrichtungen seien die Versorgungswerke berichtspflichtig.

Nichtstaatliche Einrichtungen

Per Sprungrevision ging der Fall direkt ans Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), das die Sache beim EuGH vorlegte. Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona kommt in seinen Schlussanträgen zu dem Schluss, dass bei den Versorgungswerken sehr wohl die Altersvorsorge im Vordergrund steht und dass sich auch nicht als quasistaatliche Einrichtungen gelten.

Während sie einerseits eine wichtige Rolle für die Wirtschaft spielen und ihre Aktiva sich seit der Finanzkrise Schätzungen zufolge auf mehr als 3 Billionen Euro vervielfacht haben, gebe es große Lücken in den verfügbaren Daten. Daher konnten die Auswirkungen der Altersvorsorgeeinrichtungen auf die Transmission der Geldpolitik sowie die Risiken im Zusammenhang mit ihrem Investitionsverhalten und ihrer Verflechtung mit dem übrigen Finanzsystem und der Realwirtschaft nur schwer beurteilt werden.

Dies sei der Grund dafür, dass die EZB über harmonisierte und qualitativ hochwertige Statistiken verfügen wolle und erkläre die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die statistischen Berichtspflichten. Alleine das Anlagevolumen der sechs klagenden Versorgungswerke belaufe sich insgesamt auf rund 110 Milliarden Euro; laut Bundesbank habe kein anderes Versorgungswerk die Auskunft verweigert.

Zwar gebe es eine Pflichtmitgliedschaft bei den Versorgungswerken, was ein Kriterium für die Einstufung zur Sozialversicherung sei. Jedoch fehle das zweite Kriterium, nämlich die Leitung durch den Staat. Zwar müssten Versorgungswerke gesetzlich vorgeschriebene Mindestanforderungen erfüllen, aber über die Festlegung von Beiträgen und Leistungen entscheide – anders als bei der Sozialversicherung – gerade nicht der Staat. Vielmehr hätten sie vollständige Autonomie und Verantwortlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern, ohne dass es eine staatliche Garantie für die Höhe der zu zahlenden Leistungen der Alterssicherung gebe.

Auch wenn der Kreis der Mitglieder beschränkt sei, seien die Versorgungswerke durch eine nichtstaatliche finanzielle Mittlertätigkeit charakterisiert, bei der die Beiträge in Finanzanlagen investiert würden, um Gewinne zu erwirtschaften, aus denen Leistungen bei Eintritt in den Ruhestand, Tod oder Erwerbsunfähigkeit an die Versicherten abgesichert sowie die Verwaltungskosten gedeckt werden sollen. „Die Leistungen werden nicht aus Steuern und anderen staatlichen Einnahmen bezahlt.“

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