Entbudgetierung

SPD/Grüne/FDP: Last-Minute-Paket für Praxen

, Uhr aktualisiert am 20.01.2025 13:20 Uhr
Berlin -

Die Ärzte-Lobby war erfolgreich: SPD, Grüne und FDP wollen wichtige Forderung der Praxen noch umsetzen, wie aus Regierungskreisen bestätigt wurde. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) spricht von einem Wahlgeschenk.

Die drei ehemaligen Koalitionspartner haben sich am Freitag auf eine Lösung verständigt; ein entsprechendes Gesetz könnte somit doch noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Die Beteiligten warten nun dem Vernehmen nach auf grünes Licht aus den Fraktionen. Die Anpassungen sollen neben der Entbudgetierung, also dem Fallen des Honorardeckels für Hausärzt:innen, auch die Bagatellgrenzen bei Regressen sowie eine Chronikerpauschale beinhalten.

Die FDP hatte im Dezember einen Änderungsantrag zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) eingereicht, worauf sich diese Einigung nun bezieht. Damit könnte der Bundestag nun doch noch eine der zentralen Forderungen der Ärzteschaft in den letzten Sitzungswochen im Januar und Februar beschließen. Zu Apotheken ist dem Vernehmen nach nichts geplant.

Mindestens die SPD dürfte ebenso interessiert an einem Beschluss sein, um das Versprechen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch umzusetzen. Der hatte im Herbst dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband versprochen, das Thema Entbudgetierung noch anzugehen. „Das Gesetz muss kommen, wird kommen, Sie können sich darauf verlassen“, sagte er damals. Doch dann kam das Ampel-Aus und das Versprechen drohte zu wanken.

Auch Christine Aschenberg-Dugnus, die parlamentarische Geschäftsführerin und Gesundheitsexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, bestätigt die Einigung mit SPD und Grünen sowie Lauterbach, wie es heißt. „Mit der Entbudgetierung setzen wir eine langjährige FDP-Forderung noch in dieser Wahlperiode durch. Jede hausärztlich erbrachte Leistung wird künftig vollständig vergütet. Davon werden die Patientinnen und Patienten am meisten profitieren, denn damit stärken wir die ambulante Versorgung und somit das Rückgrat unseres Gesundheitssystems. Damit wird eine FDP-Forderung umgesetzt. Als FDP-Fraktion haben wir uns seit Jahren dafür eingesetzt, dass erbrachte medizinisch-notwendige Leistungen vollständig vergütet werden müssen. Das wird nun noch umgesetzt.“

Noch weitere Einigungen erzielt, anderes blieb liegen

Von den Grünen heißt dazu von Maria Klein-Schmeink, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Armin Grau, Mitglied im Gesundheitsausschuss: „Auf den letzten Metern haben wir uns gemeinsam mit SPD und FDP auf wichtige Verbesserungen in der hausärztlichen Versorgung geeinigt. Damit stabilisieren wir diesen zentralen Versorgungsbereich.“ Für die Hausärzt:innen gebe es so mehr Verlässlichkeit in der Vergütung; Fehlanreize, die zum Ende eines Abrechnungsquartals zu einer schlechteren Versorgung führen könnten, würden beseitigt. Die Hilfsmittelversorgung von Menschen mit Behinderungen werde zudem deutlich erleichtert.

Bestandteil der Einigung seien zudem auch auch Regelungen für Frauen, die Opfer einer sexuellen Gewalttat geworden sind. „Eine in diesem Zusammenhang notwendige Verordnung von Notallkontrazeptiva wird künftig ohne Altersbegrenzung von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet“, heißt es weiter von den Grünen. Einigungen zu „eigentlich ausverhandelten Reformen zur Notfallversorgung, zur Entbürokratisierung und zur Digitalisierung“, seien hingegen nicht mehr erzielt worden.

vdek gegen geplanten Beschluss

Die geplante Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung verteuere die Versorgung weiter, so der vdek. „Die Parteien wollen offenbar noch Wahlgeschenke verteilen. Dass ausgerechnet die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen noch in letzter Minute im Bundestag verabschiedet werden soll, ist ansonsten nicht zu erklären“, so die vdek-Vorstandesvorsitzende Ulrike Elsner.

Zwar solle die hausärztliche Versorgung durchaus gestärkt werden, angesichts knapper Ressourcen seien die Beitragsgelder „zur Verbesserung der Versorgung gerade in ländlichen Regionen“ aber besser aufgehoben. „Von der Entbudgetierung profitieren jedoch vorwiegend überversorgte städtische Regionen. Diese Regelung ist nicht zielführend und verteuert lediglich die Versorgung noch einmal um geschätzt 500 Millionen Euro jährlich, ohne sie gezielt zu verbessern. Das sind keine guten Nachrichten für die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber der gesetzlichen Krankenversicherung“, meint Elsner.

Ärzte begrüßen Einigung, jetzt alle Budgets abschaffen

Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) begrüßt die Einigung der und sieht zudem einen Wegweiser zur Abschaffung der Budgets für alle Vertragsärzt:innen. „Die hausärztliche Entbudgetierung ist richtig, nur bleibt dieser Gesetzesentwurf auf dem halben Weg stehen. Es nützt unseren Patientinnen und Patienten nichts, wenn sie nach Besuch des Hausarztes oder der Hausärztin in sehr vielen Fällen anschließend monatelang auf eine korrekte fachärztliche Diagnose warten müssen, die fast immer Voraussetzung für eine effektive Therapie ist“, so der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. „Nur wenn alle Budgets für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte umgehend abgeschafft werden, lassen sich ein langes Leiden und Ausharren auf Wartelisten vermeiden.“

Seit sieben Jahren gehört die Entbudgetierung zu den Grundsatzforderungen des Virchowbunds. „Wenn jetzt die Entbudgetierung der Hausärzte kommt, so ist das ein Erfolg des Virchowbundes, auf den wir stolz sein können“, ergänzt Heinrich in seiner weiteren Funktion als Bundesvorsitzender des Verbands der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Zu den weiteren Planungen zur Einführung einer jährlichen Vorsorgepauschale für chronisch Kranke und damit die teilweise Abwendung von der Quartalslogik in den Hausarztpraxen meint Heinrich: „Jetzt bleibt abzuwarten, wie die Verhandlungen zwischen KBV und den Krankenkassen zu dieser Pauschale verlaufen. Ich befürchte jedoch, dass hier die Hausärzte den Kürzeren ziehen werden, weil die Jahrespauschale vermutlich geringer ausfallen wird als die vorigen vier Quartalspauschalen. Daher halte ich diese Pauschalen für ein vergiftetes Geschenk.“

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