Rezeptbetrug

Oberstaatsanwalt Badle: Wenige Fälle, große Summen

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Berlin -

„Die große Abzocke“ – so titelte die „Welt am Sonntag“ und berichtete über Ermittlungen gegen Apotheker in mehreren Bundesländern. Sie sollen die Krankenkassen mit „Luftrezepten“ um Millionen Euro betrogen haben. Die Zeitung spricht von einer „verbreiteten Masche“. Der ebenfalls im Beitrag zitierte Oberstaatsanwalt Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt stellt auf Nachfrage klar: „Falsch wäre der Vorwurf, dass das Apothekenwesen kollektiv verseucht sei.“

Bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hessen gibt es seit 2009 eine „Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen“. Badle, ihr Leiter, sagte der „Welt am Sonntag“, dass es seither 66 Ermittlungsverfahren gegen Apotheker und deren Kunden gebe.

Tatsächlich sind an einem Betrug aber immer mehrere Menschen beteiligt. Laut Badle gibt es derzeit beispielsweise einen Fall, bei dem es um rund zwei Millionen Euro geht. Verfahren laufen gegen zehn Kunden und einen Apotheker. Unter den Beschuldigten der 66 Ermittlungsverfahren sind insgesamt zwölf Apotheker. Badle betont: „Wir benennen Einzelfälle, würden aber nie behaupten, dass es sich um ein Massenphänomen handelt.“

Das Problem klein reden will Badle aber nicht. Seiner Meinung nach zeigt die geringe Zahl der Beteiligten umso deutlicher, welchen Schaden Apotheker anrichten können – denn ohne sie könnten die Patienten die Krankenkassen nicht betrügen. „Es gibt in jedem Beruf einzelne schwarze Schafe“, sagt Badle. „Aber gerade für den Apothekenbereich gilt: Wenn sich ein Einzelner entschließt, zu betrügen, geht es fast immer um Schadenssummen im sechs- oder siebenstelligen Bereich.“

Umso wichtiger ist aus Sicht von Badle die Aufklärungsarbeit der Staatsanwaltschaften: „Gerade weil aber schon wenige Akteure einen großen Schaden anrichten können, ist es so wichtig, gegen sie vorzugehen.“ Denn schon Einzelne könnten den gesamten Berufsstand in Verruf bringen.

„Unsere Arbeit dient maßgeblich dem Schutz des Vertrauens in den Beruf und damit den Interessen der Apotheker“, sagt Badle. „Wir haben einen guten Kontakt zur Apothekerkammer in Hessen und stehen gemeinsam im Dienst der ehrlichen Apotheker.“

Die „Welt am Sonntag“ hatte zwei Betrugsfälle dargestellt und berichtete über die „Masche“, Rezepte einzulösen, ohne Medikamente abzugeben. Insgesamt deckten die Krankenkassen zuletzt mutmaßliche Betrügereien von Apothekern in Höhe von 16 Millionen Euro auf, heißt es in dem Bericht. Die jährlichen Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel lagen zuletzt bei rund 35 Milliarden Euro.

Gesundheitsökonom Professor Dr. Gerd Glaeske kommentierte: „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass Betrug durch Apotheker auffällt.“ Es gebe in diesen Konstellationen von krimineller Energie einzelner Personen üblicherweise nur wenige Mitwisser, und solange die zusammenhielten und sich nicht gegenseitig verpfiffen, gebe es kaum eine Chance, dass es auffliege.

Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, sagte: „Luftrezepte sind Betrug an den Beitragszahlern. Und, was fast noch schlimmer ist, sie untergraben das Vertrauen der Patienten in die Ärzteschaft und die Apotheker.“ Man brauche in Deutschland mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften, damit Betrug und Korruption im Gesundheitswesen besser bekämpft werden könnten.

Die ABDA erklärte, angesichts der Menge von 700 Millionen verschreibungspflichtigen Medikamenten pro Jahr sei Betrug in Einzelfällen nicht auszuschließen. Beweise, dass es sich um eine weit verbreitete Masche handele, lägen nicht vor.

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