EuGH-Spezial

Polen für Ketten, gegen Vertikalisierung

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Als „historisches Relikt aus dem 19. Jahrhundert“ bezeichnete die Bevollmächtigte der polnischen Regierung, Mirosława Kapko, das Fremdbesitzverbot. Wie schon im schriftlichen Verfahren war die Stellungnahme wider die Nachbarn in scharfem Ton gehalten: Einziges Ziel der deutschen Regelung sei es, den Apothekern Gewinne zu sichern und die Konkurrenz durch Personen oder Gesellschaften mit Kapital zu verhindern. „Der selbstständige Apotheker ist der einzige, der aus einem erhöhten Gewinnstreben Nutzen zieht.“ Dagegen spüre ein Angestellter keine Auswirkung auf sein Gehalt - und werde damit nicht um jeden Preis eine Profitmaximierung verfolgen und dabei seine Zulassung riskieren.

Allerdings leugnete Kapko nicht, dass ein gewisses Risiko für eine Beeinflussung der Angestellten durch die Arbeitgeber besteht. Es sei derzeit schwer zu sagen, ob der Kündigungsschutz in den Mitgliedstaaten diesbezüglich bereits ausreichend sei, so die Vertreterin. Jedoch: Angesichts der europaweiten Anerkennung der Berufsqualifikation bräuchten Apotheker keine Angst zu haben, im Falle einer Entlassung keine neue Arbeit mehr zu finden. Anders als in Norwegen gebe es zahlreiche Alternativen; ein solches Risiko tauche in Deutschland oder Polen nicht auf.

Laut Kapko sind die Risiken der Gesundheitsgefährdung durch Profitstreben real, aber nicht auf die Inhaberschaft zurückzuführen. Im Gegenteil: Erfahrungen aus Polen belegten, dass vor allem kleinere Apotheken aufgrund fehlenden Eigenkapitals und wegen Managementfehlern „nicht in bester finanzieller Situation“ seien. Zwischen einem Fünftel und einem Drittel aller polnischen Apotheken würden über Kredite durch den Großhandel kontrolliert. „Hier gibt es keine Entscheidungsfreiheit. Über die tatsächliche Situation der Apotheke entscheidet alleine deren wirtschaftliche Kraft.“

Konsequenterweise sieht man in Polen die Gefahr an anderer Stelle: „Wir müssen verhindern, dass Hersteller oder Großhändler Inhaber von Apotheken werden“, so Kapko. „Der Staat muss Kontrollinstrumente haben, um eine Konzentration zu verhindern.“ Die polnische Vertreterin warnte vor einem Verdrängungswettbewerb mit nachfolgender Preissteigerung und verwies auf das polnische System, demzufolge ein Kettenbetreiber maximal 5 Prozent Marktanteil pro Verwaltungsgebiet haben darf. Das Fremdbesitzverbot an sich garantiere noch keine Entscheidungsfreiheit.

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